07. März 2024

Ein großes zehntägiges Fest

Gerlinde Kretschmann, Schirmherrin der Vesperkirchen, (3. v. l.) und Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, (2. v. l.) haben am 6. März in der Calwer Vesperkirche mit angepackt. Zu Gast waren am gleichen Tag auch Dekan Erich Hartmann (v. l.) und der Calwer Oberbürgermeister Florian Kling. © Bild: Diakonisches Werk Württemberg

„Waren Sie schon mal hier?“ Am zweiten Tag begrüßt David Lehmann an einem Stehtisch am Eingang der Calwer Stadtkirche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verteilt an alle, die ankommen, Namensschilder. Er ist der Ehrenamtskoordinator der achten Calwer Vesperkirche, die vom 5. März bis zum 14. März jeden Mittag zu Begegnung und einem warmen Essen einlädt.

Um gemeinsam zu beginnen, kommen Ehrenamtliche und Organisatoren im Chorraum zusammen und singen zusammen ein Lied. Dann werden Tagesteams aufgerufen – für den Eingang, die Essensausgabe, Empfang und den Service. „Das Spülteam muss heute ins Freie, die bekommen einen besonderen Applaus.“ Die anderen Helfer klatschen, bis sich auch die letzte Gruppe an die Arbeit gemacht hat.

Festlich gedeckte Tische dort, wo sonst Kirchenbänke stehen

„Es entspricht dem biblischen Charakter, dass in die Vesperkirche alle eingeladen sind“, sagt Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg. Mit Gerlinde Kretschmann hat sie in der Calwer Vesperkirche einen geistlichen Impuls gehalten. © Bild: Diakonisches Werk Württemberg

Die Tische in der Calwer Stadtkirche, dort, wo sonst die Kirchenbänke stehen, sind gedeckt. Daran sitzen Menschen im Rentenalter und Schüler, alleinlebende Personen, Familien und Kollegen und unterhalten sich – Stimmengewirr liegt in der Luft. Einer von ihnen ist Robert Ohme, Bewohner eines ambulanten Betreuten Wohnens der Erlacher Höhe in der Umgebung. „Ich finde toll, dass es hier Kaffee und Kuchen gibt und gesellig ist, denn ich wohne allein“, sagt er. An der Kuchentheke holt sich Sonja Seeger ein Stück Kuchen. Die Berlinerin besucht in Bad Liebenzell ihren Bruder. Aus Berlin kenne sie das nicht, sagt sie begeistert.

„Eine wunderschöne Gemeinschaft“, findet auch der Ehrenamtliche Herbert Schäfer. Aber in den Stoßzeiten werde es für sie, die Ehrenamtlichen, auch turbulent. 

Schirmherrin Gerlinde Kretschmann hilft schon in der vierten Vesperkirche

Zum achten Mal findet die Calwer Vesperkirche statt. Das Motto: „Zeit – Gemeinsam – Genießen“. © Bild: Diakonisches Werk Württemberg

Die Ehrenamtlichen sind in der Vesperkirche genauso wichtig wie die Gäste. Denn ohne sie wäre das große Event nicht umsetzbar. Heute helfen auch Gerlinde Kretschmann, Schirmherrin der Vesperkirchen, und Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, und halten gemeinsam einen geistlichen Impuls. Zu Gast sind auch Dekan Erich Hartmann und der Calwer Oberbürgermeister Florian Kling.

Gerlinde Kretschmann hilft in dieser Saison schon in der vierten Vesperkirche. Nach Ravensburg, Sigmaringen und Stuttgart freut sie sich nun, in Calw im Service anpacken zu können. Sie räumt auf einem Tablett gebrauchtes Geschirr ab und bringt es zu den Tischen des Spülteams. Ihr gefalle, dass Menschen, die seit ihrer Taufe nicht in der Kirche waren, wieder in die Kirche kämen, sagt sie. „Es entspricht dem biblischen Charakter, dass in die Vesperkirche alle eingeladen sind“, sagt auch Annette Noller. Beide sind sich einig, wie wichtig Essen in einer Gemeinschaft wie hier in der Vesperkirche ist. „Zusammen essen ist wichtig und schön“, sagt Kretschmann. Sie selbst genieße es, in Gesellschaft zu essen. „Hierher kommen viele Menschen, die manchmal allein essen müssen oder gar nicht essen.“ 

Leiter Sebastian Kirsch: „In Calw gibt es einen wahnsinnigen Bedarf“

Sebastian Kirsch, Leiter des Vesperkirchen-Teams, und ein Gast. © Bild: Diakonisches Werk Württemberg

Sebastian Kirsch steht zwischen Essensausgabe und Tischen. Er ist auch der Leiter des Vesperkirchen-Teams. Als Springer schaut er jetzt aufmerksam um sich, denn er vertritt andere Helfer, wenn Bedienungen fehlen. 

„In Calw gibt es einen wahnsinnigen Bedarf“, sagt Sebastian Kirsch. Und ein gutes Netzwerk der sozialen Einrichtungen macht möglich, dass viele Gäste von dem besonderen Mittagstisch erfahren. Kirsch hat noch zwei Tage zuvor Menschen in einer Obdachlosenunterkunft persönlich hierher eingeladen. „Da sind Menschen dabei, die eigentlich nicht unter Leute gehen“, sagt Kirsch. Es sei etwas Besonderes, dass die sich in diese Gemeinschaft begeben würden. „Sie wissen, dass jeden Tag eine Gruppe ihrer Mitarbeitenden für sie da sind.“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiederum können den Menschen hier anders begegnen als am Beratungstisch. 

So viele Gäste wie noch nie

Eine der unterstützenden Ehrenamtlichen des Tages räumt ein Tablett mit schmutzigem Geschirr ab: Gerlinde Kretschmann, Schirmherrin der Vesperkirchen. © Bild: Diakonisches Werk Württemberg

Dass schon am zweiten Tag so viel los ist, überrascht Kirsch. „Wir haben gestern den vollsten Eröffnungstag gehabt, den wir bisher hatten.“ Er zeigt in die Mitte der Kirche. „Vorhin, als die Vesperkirche schon losgegangen ist, haben wir noch Tische aufgestellt.“ Auch das Fahrteam musste nochmal mehr Portionen an Essen besorgen.

Ja, die Vesperkirche dauere nicht das ganze Jahr, aber: „Die zehn Tage sollen etwas Besonderes sein, an denen wir alles geben.“ Sebastian Kirsch sagt: „Es ist ein großes zehntägiges Fest.“


Über die Calwer Vesperkirche

Zwischen 400 und 600 Menschen erhalten in der Calwer Vesperkirche zehn Tage lang ein warmes Essen in einer Tischgemeinschaft. Außerdem bietet der gastfreundliche Ort ihnen Sozialberatung, Seelsorge, Frisörtermine, ein geistliches Programm und Kultur. Für das Essen kann man Geld in eine Spendenbox einwerfen. Den Großteil der Kosten der Vesperkirche übernehmen aber Sponsoren. Die Kirchenbänke etwa hat eine Speditionsfirma ausgebaut und lagert sie bei sich ein – umsonst.