Frauen und Gewaltschutz – Unsere Forderungen und Bewertung des Koalitionsvertrags
Die Istanbul-Konvention schreibt verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt vor. Baden-Württemberg ist zur Umsetzung der Konvention verpflichtet. Noch gibt es aber erhebliche Versorgungslücken.
1. Frauenhausplätze und Unterstützung nach Frauenhausaufenthalt
Nach Angaben des Sozialministeriums fehlen landesweit 630 Plätze: 214 Plätze für Frauen, 420 für Kinder (Stand: 2020). Es gibt einige „weiße Flecken“ in der Versorgung und nicht alle von Gewalt betroffene Frauen haben Zugang zu einem gesicherten Frauenhausplatz. Mit den bisher im Landeshaushalt zur Verfügung stehenden Mitteln sind die Bedarfe unmöglich zu erfüllen. Auch das Übergangsmanagement und die nachhaltige Unterstützung nach Frauenhausaufenthalt sind nicht ausreichend gesichert. Frauenhausplätze müssen flächendeckend zur Verfügung stehen und refinanziert sein. Second-Stage-Programme müssen ausgeweitet und verstetigt werden, weil sie die Verweildauer verkürzen – sofern Wohnraum zu bekommen ist. Die Versorgung mit Wohnraum nach Frauenhausaufenthalt ist sicher zu stellen. Die psychosoziale Begleitung und Aufarbeitung der von Kindern und Jugendlichen erlebten Gewalt sollte bereits im Frauenhaus beginnen. Bisher wird die von der Mutter losgelöste Begleitung zumeist aus Spendengeldern finanziert. Hier muss eine einheitliche Lösung geschaffen werden, um Gewaltkreisläufe zu durchbrechen.
Bewertung Koalitionsvertrag 2021-2026
Folgende Vorhaben begrüßt die Diakonie Baden-Württemberg sehr:
- Der Landesaktionsplan soll gemäß der Istanbulkonvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt fortgeschrieben werden,
- Die Unterstützung beim Übergang vom Frauenhaus in eine Wohnung, das Second Stage, wird fortgeführt,
- Der Ausbau von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen (alle Felder) wird beibehalten,
- Mobile Teams sollen gestärkt und verstetigt werden.
Doch eine einheitliche Finanzierung der Plätze im Frauenhaus wird nicht erwähnt. Diese fordert die Diakonie.
2. Rechtsrahmen für Beratung und Schutzunterkünfte
Die Finanzierungsmodalitäten für Frauenhäuser sind bundesweit höchst unterschiedlich. Sie erfolgt bisher überwiegend auf Grundlage freiwilliger Zuwendungen. In vielen Kommunen basiert der Frauenhausaufenthalt auf Leistungsansprüchen nach dem SGB II/XII. Dies schließt Frauen ohne Leistungsbezug vom Zugang zum Frauenhaus aus oder beschränkt die Hilfen. Das darf nicht sein. Wir rufen das Land auf, sich auf Bundesebene für einen einheitlichen Rechtsrahmen einzusetzen. Der Zugang zu Beratung und Schutzunterkünften muss gesichert sein - unabhängig von Einkommen, Wohnort und Aufenthaltsstatus.
Bewertung Koalitionsvertrag 2021-2026
Die Diakonie begrüßt, dass die Fachberatungsstellen weiter ausgebaut werden. Aber sie fordert auch für die bestehenden eine auskömmliche Finanzierung. Die Beratungsangebote für alle in der Prostitution müssen deutlich erhöht werden und zum Beispiel den Zugang zur Gesundheitsvorsorge zu gewährleisten. Es braucht eine verlässliche Finanzierung, die nicht an Projekte gebunden ist.
3. Prostitution und Menschenhandel
Auch für die Finanzierung der spezialisierten Fachberatung für Prostituierte gibt es keinen einheitlichen und verbindlichen Rechtsrahmen. Für diese Personengruppe gibt es keine flächendeckende Versorgung und keine einheitliche Förderung (nur einzelne Beratungsstellen werden vom Land gefördert). Hier ist eine deutliche Aufstockung der Landesmittel wichtig. Wir fordern die flächendeckende und bedarfsgerechte Förderung der spezialisierten Fachberatung für Prostituierte und Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Das gilt auch für die Fachberatungsstellen zu häuslicher und sexueller Gewalt sowie der Interventionsstellen.
Bewertung Koalitionsvertrag 2021-2026
Auch Fachberatungsstellen für von Gewalt, Menschenhandel und Prostitution Betroffene wollen die Koalitionäre ausbauen, es fehlt jedoch das Bekenntnis zur Unterstützung der bereits bestehenden.
Die Sicht auf Prostituierte ist hier sehr stark auf Zwang fokussiert. Konkrete Schutzmaßnahmen für Prostituierte werden hier nicht genannt (zum Beispiel Ausbau der Gesundheitsversorgung und Prävention, verbesserter Opferschutz bei Menschenhandel, Aufstockung von Ressourcen und Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden).