01. Dezember 2015

Entwicklung am Arbeitsmarkt geht an Arbeitslosen vorbei

Viele Menschen sind „ausaktiviert“ und brauchen geförderte Beschäftigung.

Zumeldung zur Meldung der Agentur für Arbeit zu den Arbeitslosenzahlen im November 2015

Stuttgart, 1. Dezember 2015. Heute hat die Agentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und die positive Arbeitslosenquote gegenüber anderen Bundesländern unterstrichen. Wir lenken den Blick auf Zahlen, die die Probleme des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg zeigen:

Veränderungen sind eine Frage der Perspektive: Wenn man von der Zahl der Arbeitslosen ausgeht, hat sich diese um 1,3 % gesenkt. Wenn man aber von ihrem Anteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausgeht, dann ist der nur um 0,06 % (also sechs Zehntausendstel) gesunken. Die Situation der am Arbeitsmarkt Benachteiligten wird tendenziell immer schlechter. Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger, vor allem unter den Langzeitarbeitslosen, steigt langfristig an und die Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit nimmt tendenziell ständig zu.

In dieser Situation suchen verstärkt auch die Zuwanderer und Flüchtlinge nach Arbeit. Dabei haben sie aus Arbeitsmarktsicht oft multiple Vermittlungshemmnisse. Fehlende Sprachkenntnisse und  Ausbildung, gesundheitliche Beeinträchtigungen und kultureller Hintergrund erschweren ihnen die Integration in den Arbeitsmarkt. Es bedarf erheblicher Mittel und Maßnahmen, um auch ihnen die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen.

Die Pläne der Bundesregierung sehen für 2016 aber nur eine Steigerung der Eingliederungsmittel um 250 Millionen vor, was angesichts des Gesamtproblems der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit und der Zuwanderung vollkommen unzureichend ist.

  • Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist um 103.700 auf 4.435.100 gestiegen. Dass gleichzeitig die Arbeitslosigkeit nur um 2.797 Personen abgenommen hat, zeigt, dass die Arbeitsmarktentwicklung an den Arbeitslosen vorbei geht. Die Arbeitslosenquote sinkt stärker wegen der steigenden Gesamtbeschäftigtenzahl als wegen der sinkenden Arbeitslosenzahl.
  • 69.815 Personen oder 32,3 % aller Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos, gegenüber dem letzten Monat gerade einmal 762 Personen und gegenüber dem Vorjahresmonat nur 857 Personen weniger.
  • Der relative Anteil der Hartz-IV-Bezieher (SGB II) ist gegenüber dem Vormonat auf 58,2 % gesunken. Die absolute Zahl der SGB-II-Arbeitslosen beträgt jetzt 125.835, sie ist im Oktober zwar um 1.363 Personen oder 1,1 % gesunken, gegenüber dem Vorjahresmonat aber um 212 Personen oder 0,2 % gestiegen. Demgegenüber ist die Zahl der Arbeitslosen im SGB III im November  um 414 Personen oder 0,5 % gesunken, gegenüber dem Vorjahresmonat waren es 3.009 Personen oder 3,2 % weniger.
  • Betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Arbeitslosengeld-II-Bezieher, sie sind an der Arbeitslosigkeit mit 58,2 %, an der Langzeitarbeitslosigkeit aber mit 84,2 % beteiligt.
  • Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit beträgt für SGB-II-Arbeitslose 583 Tage – ein Tag mehr als im Vormonat und 19 Tage mehr gegenüber dem Vorjahresmonat. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III nur durchschnittlich 185 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 8 Tage gesunken.
  • Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass zwar im November 60.889 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, dabei konnten aber nur 18.956 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit übergehen. Und von den 27.529 neu besetzten Stellen sind demnach nur knapp 70 % an Arbeitslose gegangen.
  • Nur 18,8 % derjenigen, die aus dem SGB II heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten auch eine Erwerbstätigkeit beginnen; von den SGB-III-Empfänger, die aus der Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin knapp 42,4 %.

Fachwissenschaftler weisen inzwischen darauf hin, dass das Leitbild des Forderns und der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik gegen das einer befähigenden Arbeitsmarktpolitik getauscht werden muss, die mehr auf Teilhabe als auf Vermittlung in Arbeit ausgerichtet ist. Viele Menschen sind „ausaktiviert“, ihnen helfen die auf Arbeitsvermittlung fokussierten Maßnahmen der Agenturen und Jobcenter nicht mehr weiter. Es zeigt sich immer deutlicher, dass Langzeitarbeitslose und ihre Familien ohne öffentlich geförderte Beschäftigung keine Chance mehr zur Teilhabe und zur Integration in Arbeit bekommen. Die Diakonie fordert dies seit langem und hat mit dem Passiv-Aktiv-Transfer ein realistisches Finanzierungskonzept vorgelegt, während die Bundesregierung trotz positiver wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu Handeln verpasst.

Weitere Hinweise unter:
http://www.initiative-pro-arbeit.de/   
http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/