Gutscheine für Unterstützung im Haushalt: Bund ist gefordert
Bilanz des Modellprojekts „Fachkräftesicherung über die Professionalisierung haushaltsnaher Dienstleistungen“
Stuttgart/Schwäbisch Gmünd, 11. Juli 2019. Nach zweijähriger Laufzeit in den Modellregionen Heilbronn und Aalen haben Zuwendungsgeber, Projektverantwortliche und Projektbeteiligte Bilanz des Modellprojekts „Fachkräftesicherung über die Professionalisierung Haushaltsnaher Dienstleistungen“ gezogen. Eine wesentliche Erkenntnis der Evaluation ist, dass Teilnehmende das Angebot zur Entlastung und besseren Vereinbarung von Beruf und Familienaufgaben nutzen konnten. Wesentliches Ziel war, eine Reduzierung der Arbeitszeit zu verhindern.
Das bundesweit einmalige Pilotprojekt wirkte auf unterschiedlichen Ebenen: Berufstätige, Wiedereinsteigende und Arbeitslose mit Familienaufgaben wurden mit einem finanziellen Zuschuss in Form eines Gutscheins für Dienstleistungen im Haushalt unterstützt. So konnten sie das Arbeitszeitvolumen erhöhen oder beibehalten. Gleichzeitig wurden Dienstleistungsunternehmen gestärkt, die ihr Personal sozialversicherungspflichtig anstellen.
Katrin Schütz, Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, sagte: „Wirtschaft und Chancengleichheit bedeuten, über neue Handlungs- und Lösungsansätze der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nachzudenken. Baden-Württemberg hat mit dem Projekt eine Vorreiterrolle in Deutschland übernommen und wertvolle Ergebnisse geliefert. Der Ball liegt nun beim Bund.“ Er müsse die Rahmenbedingungen schaffen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch durch die Stärkung der Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen zu verbessern. Und auch die Unternehmen selbst könnten ihre Beschäftigten durch hausarbeitsunterstützende Services entlasten. „Ein Arbeitgeber, der seiner Belegschaft zur Seite steht, ist im Wettbewerb um Fachkräfte einen großen Schritt voraus.“
Martina Musati, Geschäftsführerin der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Baden-Württemberg, lobte das Modellprojekt als einen „innovativen Weg zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familienaufgaben“. Gleichzeitig habe es dazu beigetragen, diese wichtige Dienstleistung aus der rechtlichen Grauzone herauszuholen. Erwerbseinkommen und Sozialversicherungsansprüche ermöglichten an- und ungelernten Frauen eine eigenständige Existenzsicherung. „Nun liegt es am Gesetzgeber, diese positiven Ergebnisse in politische Entscheidungen umzusetzen.“
Kirchenrätin Eva-Maria Armbruster, Vorstand Sozialpolitik im Diakonischen Werk Württemberg, forderte die Unterstützung von Dienstleistungsunternehmen, die im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen tätig sind. Sie bräuchten Mitarbeitende sowie Fach- und Führungskräfte für Anleitung und Management. Außerdem brauche es eine Aufwertung von haushaltsnahen Dienstleistungen und die Einführung eines bundesweiten Gutschein-Modells. Dieses würde, die Auftragslage sichern und somit auch die Bereitschaft erhöhen, neu in den Sektor einzusteigen. Hierbei gebe es auch die Chance, Menschen im beruflichen Wiedereinstieg, Geflüchteten oder Menschen mit Behinderung Festanstellungen zu bieten.
Profitiert vom Angebot hat beispielsweise die zweifache Mutter Christine M., die wie ihr Mann berufstätig ist und auf Grund dieses Pilotprojekts nach der Elternzeit mit erhöhter Stundenzahl in ihren Job zurückkehren konnte. „Ich bin viel entspannter, was sich nicht nur positiv auf mein Privat- sondern auch auf mein Berufsleben auswirkt“. Durch die stärkere Präsenz am Arbeitsplatz ist sie besser im Team integriert und bekommt von ihrem Arbeitgeber auch anspruchsvollere Projektarbeiten übertragen. Der Arbeitgeber von Christine M. wurde durch die Agentur für Arbeit auf das Projekt aufmerksam gemacht. Ein Aalener Gutscheinempfänger hatte zur Bewältigung des Haushalts über eine Reduzierung seiner Arbeitszeit nachgedacht. „Dank des Projekts kann ich weiterarbeiten wie bisher und abends ein entspannteres Familienleben genießen.“
Zuwendungsgeber sind die Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion Baden-Württemberg, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg. Die Stiftung Diakonie Württemberg hat als Projektträger das Modellprojekt durchgeführt.
Kurzzusammenfassung der Ergebnisse
- Der Personenkreis, der am Modellprojekt teilgenommen hat, ist überwiegend weiblich, mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren und hat in beinahe allen Fällen Kinder. Das Modellprojekt wurde von einem breiten, vielfältigen Personenkreis genutzt, wobei zahlreiche Teilnehmende eher höher qualifizierte Berufe ausüben.
- Teilnehmende waren beim Eintritt in das Modellprojekt an der Belastungsgrenze. Die Inanspruchnahme von Gutscheinen trug wesentlich zur Entlastung und somit zur besseren Vereinbarung von Beruf und Familienaufgaben bei. Der Großteil nutzte den Gutschein, um eine Reduzierung der Arbeitszeit zu verhindern.
- Die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im Arbeitssegment haushaltsnahe Dienstleitungen konnte im Rahmen des Modellprojekts nicht nachhaltig erreicht werden. Grund dafür ist im Wesentlichen die kurze Projektlaufzeit von zwei Jahren, die Unternehmen keine Planungssicherheit bieten konnte.
Hintergrund
Vom 1. Marz 2017 bis 28. Februar 2019 lief das Modellprojekt in den Arbeitsagenturen Aalen und Heilbronn. Mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 604.357,29 Euro finanzierten die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg sowie die Stiftung Diakonie Württemberg das Projekt.
Gutscheine konnten an Frauen und Männer mit Familienaufgaben (Kind/er unter 18 Jahren oder pflegebedürftige Angehörige) ausgegeben werden, wenn sie
- wieder (mit mind. 20 Wochenstunden) in Teilzeit in den Beruf einsteigen,
- bereits mit 25 Wochenstunden in Teilzeit arbeiteten und ihre wöchentliche um mind. 3 Wochenstunden erhöhten oder
- bereits mindestens 25 Wochenstunden arbeiteten und ihre Arbeitszeit aufgrund der Familienaufgaben reduzieren hätten müssen.
Die Gutscheine konnten bei Dienstleistungsunternehmen eingelöst werden, die ihr Personal überwiegend sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Der nachfragende Privathaushalt kaufte die Dienstleistung ein und musste nicht selbst als Arbeitgeber fungieren. Die Idee stammt aus Belgien.