„Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ tritt heute in Kraft
Diakonie kritisiert den gänzlichen Leistungsausschluss für Schutzberechtigte aus anderen EU-Staaten
Stuttgart, 21. August 2019. Das sogenannte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, das zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, tritt heute in Kraft. Mit dem Gesetz sind zahlreiche Verschärfungen für Schutzsuchende in Deutschland verbunden, denen nach Ansicht der Diakonie Württemberg verfassungs-, europa- und völkerrechtliche Bedenken entgegenstehen. Besonders für Menschen, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat einen Schutzstatus erhalten haben, befürchtet Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Württemberg, gravierende Folgen. „Das neue Gesetz schließt erstmals eine Personengruppe gänzlich von Sozialleistungen aus. Die Menschen werden durch den Ausschluss mittellos und in die Obdachlosigkeit getrieben“, so Kaufmann.
Vollziehbar Ausreisepflichtige, die einen Schutzstatus in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben, sind ab jetzt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht mehr leistungsberechtigt. Sie erhalten in der Regel nur noch für maximal zwei Wochen eingeschränkte Überbrückungsleistungen zum Zweck der Ausreise. Danach haben die Betroffenen keinen Anspruch mehr auf Geld- oder Sachleistungen zur Sicherung ihrer Grundbedürfnisse wie Ernährung, Kleidung oder medizinische Versorgung. Leistungsausschluss bedeutet für die Betroffenen außerdem, dass sie nicht mehr in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden und jene, die aktuell in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen, diese verlassen müssen. Die Regelungen gelten ohne Ausnahme auch für Frauen, Kinder oder andere schutzbedürftige Personen.
Es gibt vielschichtige Gründe, warum Flüchtlinge sich nicht in dem EU-Land aufhalten, das ihnen einen Schutzstatus gewährt hat. Häufig sind sie dort von Obdachlosigkeit und akuter Armut betroffen, die ein Leben in Würde unmöglich machen. Nicht wenige sind auch durch traumatische Erfahrungen im jeweiligen EU-Land belastet. Für bestimmte Staaten werden deshalb Überstellungsverbote ausgesprochen, da die Bedingungen für anerkannte Schutzberechtigte menschenunwürdig sind, beispielsweise fehlt der Zugang zu Sozialhilfen oder medizinischer Versorgung. Flüchtlinge dennoch in einen anderen EU-Mitgliedstaat zu überstellen, dauert oft Monate, manchmal sogar Jahre. Andere Länder weigern sich auch ganz, anerkannte Flüchtlinge überhaupt zurückzunehmen. „Menschen in prekäre Lebenssituationen zu bringen, nur damit sie Deutschland verlassen, kann nicht die Lösung sein. Das widerspricht jeglicher christlichen Nächstenliebe und dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum“ betont Kaufmann. „Wir brauchen eine gesamteuropäische Lösung einer humanitären EU-Flüchtlingspolitik. Jeder Mensch hat als Ebenbild Gottes das Recht auf ein Leben in Würde und wir alle tragen die Verantwortung hierfür. “
Des Weiteren kritisiert die Diakonie Württemberg am neuen Gesetz die Ausweitung der Gründe für die Abschiebehaft, die Aussetzung des europarechtlich vorgegebenen Trennungsgebots in der Abschiebungshaft sowie die Einführung einer weiteren Duldungsform, die eine große Personengruppe von Integrationsangeboten ausschließt.