Bluttest auf Trisomien als Kassenleistung entwickelt sich zur Reihenuntersuchung
Zum Welt-Down-Syndrom-Tag (21. März) fordert die Diakonie Bedingungen für Pränataldiagnostik
Stuttgart, 19. März 2024. Die Diakonie Württemberg fordert von der Bundesregierung, ethisch vertretbareBedingungen und Grenzen von Pränataldiagnostik zu definieren. Zum Welt-Down-Syndrom-Tag (21. März) macht Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, darauf aufmerksam, dass der nicht invasive Bluttest auf Trisomien (NIPT), seit er Kassenleistung ist, stark nachgefragt und nicht wie beabsichtigt nur in begründeten Einzelfällen angewandt wird.
Weiter ist nach Ansicht der Diakonie Württemberg die Bundesregierung in der Pflicht, belastbare Daten zu den Folgen der Kassenzulassung des NIPT zu erheben und ein Expertengremium einzusetzen, das deren rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen prüft. Eine interfraktionelle Arbeitsgruppe aus Abgeordneten von SPD, Grünen, FDP, CDU/CSU und der Linken ruft die Bundesregierung in einem aktuellen Antrag ebenfalls hierzu auf. Gefordert hatte es bereits der Bundesrat im Juni 2023.
Pränatale Diagnostik könne nicht sämtliche Risiken ausschließen und behindertes Leben vermeiden, sagt Annette Noller. Sie betont auch: „Tests auf genetische Besonderheiten berühren fundamentale Werte unserer Gesellschaft und Verfassung. Sie müssen sich am christlichen Menschenbild und der EU-Behindertenrechtskonvention messen lassen.“ Notwendig seien vielmehr Grundlagen dafür, dass Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft haben.
Die Diakonie Württemberg hatte im Vorfeld der Kassenzulassung des NIPT die Sorge geäußert, dass der Test nicht wie geplant nur bei begründeten Einzelfällen angewandt, sondern zum flächendeckenden Screening werden wird. Auch Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, zuständiges Gremium für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, hatte vor der Kassenzulassung betont, dass der NIPT nur in begründeten Einzelfällen bei Schwangerschaften mit besonderen Risiken eingesetzt werden darf. Ebenso herrschte während der Orientierungsdebatte 2019 im Bundestag überfraktionelle Einigkeit, dass der Test nicht als Reihenuntersuchung eingesetzt werden darf. Bezogen auf die Abrechnungszahlen zum NIPT in den ersten zwölf Monaten seit seiner Kassenzulassung im Juli 2022[1] kommt hingegen durchschnittlich ein NIPT auf weniger als drei Geburten. Diese Zahlen sind für die Diakonie ein deutlicher Hinweis dafür, dass sich der Bluttest auf Trisomien in Richtung eines Suchtests auf das Down-Syndrom entwickelt.
Wie Menschen mit Behinderungen die Diskussion wahrnehmen, haben die Werkstatträte der diakonischen LebensWerkstatt Heilbronn für Menschen mit geistigen und körperlicher Behinderungen so formuliert: „Wir wollen nicht, dass der Bluttest als normale Kassenleistung eingeführt wird! Wir fühlen uns damit diskriminiert und bedroht. Viele unserer Kollegen und Kolleginnen, haben diese Trisomie 21 und auch in unserem Gremium gibt es einige. Die stehen mitten im Leben und sind tolle und fleißige Mitarbeiter. Wir sind sehr froh, dass wir sie als gute Kollegen und Freunde haben. Trisomie 21 ist keine Krankheit, gegen die man nach der Untersuchung etwas machen oder verbessern kann. Es ist einfach eine Form, eine Lebensform. Deswegen nützt diese Untersuchung den Menschen nichts!“
In der Diakonie Württemberg beschäftigt sich die PUA-Fachstelle für Pränataldiagnostik und Reproduktionsmedizin mit den ethischen Fragen vorgeburtlicher Untersuchungen und Angeboten der modernen Fortpflanzungsmedizin.
[1] Angefordert von der interfraktionellen AG beim GKV-Spitzenverband