Kirche muss bauen – muss Kirche bauen?
„Kirche hat schon immer gebaut, Kirche muss weiter bauen. Nicht nur Häuser mit Dächern, sondern auch Räume zum Begegnen“, so Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks bei der Fachtagung „Kirche muss bauen“.
„Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum“, stellte der Experte für sozialorientierten Wohnungsbau an der Universität Stuttgart Dr. Gerd Kuhn fest. Als eine der großen Akteure in der Gesellschaft dürfe sich Kirche der Verantwortung nicht entziehen. Sie müsse neue Konzepte entwickeln, Vernetzungsarbeit leisten und kirchliches Bauland zur Verfügung stellen. Diese Aufgaben dürften nicht den Privatinvestoren überlassen werden. „Der Mehrwert muss der Allgemeinheit dienen und nicht dem Profit.“ Die Bedürfnisse der Menschen haben sich in den letzten Jahren verändert. Sie werden älter und wünschen sich, bis ins hohe Alter in ihrer gewohnten Umgebung bleiben zu können. Singlehaushalte bewohnen große Wohnräume, soziale Räume im dörflichen Raum verschwinden von der Bildfläche. Durch neue Baukonzepte könne diesem Trend entgegengewirkt werden. Schwindende soziale Räume können anders und neu geschaffen werden. Dazu braucht es Initiativen und Pilotprojekte.
Eine solche Initiative stellte der Leiter des künftigen Projekts Neue Aufbrüche – Gemeinde bauen, Wolfram Keppler vor. Kirche muss von der „Komm-Kultur“ hin zu den Menschen. Sein siebenköpfiges Team berät kirchliche Akteure vor Ort das Quartier zu gestalten. Dazu gehören Kirchengemeinden, kirchliche Einrichtungen und freie diakonische Träger. Sie verfügten über viel Kompetenz und Knowhow, sie kennen die Menschen vor Ort und deren Bedürfnisse. „Dieses Potenzial muss bei Quartiersgestaltungen abgerufen werden.“
Sowohl Kirche als auch Politik müssen ihre Rolle und ihre Verantwortung in der Frage der Baupolitik ernst nehmen. Die gegenseitige Anerkennung von Kompetenzen ist ein erster wichtiger Schritt, so Oberkirchenrat Dieter Kaufmann bei der anschließenden Podiumsdiskussion. „Investoren müssen für einen tatsächlichen Bedarf bauen, Konzepte sollten von den Bauherren gemeinsam mit den Kommunen und vor Ort angesiedelten Kirchen entwickelt werden“, ergänzte die Sprecherin der Grünenfraktion für Bauen und Wohnen im Landtag Susanne Bay.
Ein Blitzlicht aus der Praxis war ein Gruß des Geschäftsführers des evangelischen Siedlungswerks Bayern, Hannes B. Erhardt. Ein 70 Jahre altes Unternehmen sucht immer wieder nach neuen Lösungen für bezahlbaren Wohnraum für alle Altersgruppen und Phasen der Familienplanung. Langfristigkeit und Nachhaltigkeit sind das Motto des kirchlichen Unternehmens. „Kirche muss bauen und Kirche kann bauen“, sagte Erhardt. Sie brauche aber geeignete Partner, die einen langen Atem haben und pragmatisch denken können.
Andrea Bleher, Mitglied der württembergischen Landessynode berichtete über ambivalente Diskussionen im Finanzausschuss. Dass das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum eine wichtige Aufgabe ist, waren sich die Ausschussmitglieder einig „Wir haben aber nicht die Kompetenzen, um diese Aufgabe als Kirche selbst zu übernehmen“, ergänzte sie. Es wurden jedoch 5 Millionen Euro an den Siedlungsfonds der Landeskirche gegeben, die als zinslose Darlehen an Gemeinden oder Familien vergeben werden können . Zusätzlich wurde eine Stelle für die Entwicklung neuer Baukonzepte und Quartiersentwicklung geschaffen. Begleitung von Bauen und Vermietung sollte delegiert werden. Zusätzlich ist zu prüfen, welche Unterstützung Kirchengemeinden benötigen, wenn durch Immobilienkonzepte entstehende Leerstände der Pfarr – und Gemeindehäuser neue Ideen entstehen für bezahlbaren Wohnraum.
„Wir müssen alle Möglichkeiten so vernetzen und neue Modelle entwickeln, dass wir mit kreativen Ideen zu neuen Lösungen kommen. Dabei sind reale Preise, bewusste Quartiersgestaltung, Stärkung neuer Ideen und der gemeinsame Wille die wichtigsten Meilensteine auf diesem Weg“, so Dieter Kaufmann zum Ende der Veranstaltung.