Jahresempfang der Diakonischen Werke Baden und Württemberg 2014
Fruchtbare Diskussionen beim Jahresempfang der Diakonie Baden und Württemberg
Stuttgart, 2. Juli 2014. Bei ihrem Jahresempfang hatte die Diakonie Baden und Württemberg die Pflege in den Mittelpunkt gestellt. „Wir wissen, dass wir Bewegung brauchen“, sagte Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg, im Gottesdienst in Anspielung auf das Motto „Rückenwind für gute Pflege“. Wenn der Heilige Geist als Geist der Liebe wehe, fühlten sich Pflegebedürftige und Pflegekräfte gehalten und geleitet. Kaufmanns badischer Kollege Oberkirchenrat Urs Keller rief dazu auf, aus lebensfördernder Gnade zu schöpfen als Quelle des Widerstands gegen das Schlechtreden der Pflege.
Um Erfahrungen und Erfordernisse für auch weiterhin gute Pflege zu diskutieren, waren zur Veranstaltung Gesprächspartner aus Politik, Wissenschaft und praktischer Arbeit eingeladen. Eva-Maria Armbruster, Stellvertreterin des Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werks Württemberg, kritisierte, dass die Personalschlüssel seit vielen Jahren nicht angepasst und die Leistungen nicht ausreichend refinanziert sind. Trotz großen Drucks sei das Niveau der Versorgung in Baden-Württemberg aber gut „und wir haben in der Diakonie für die deutlich gestiegene Zahl der Angebote immer wieder motivierte Pflegekräfte gewonnen“. Das bekräftigten drei junge Nachwuchskräfte mit ihrem Bekenntnis zum Pflegeberuf. Trotzdem: „Es ist notwendig, dass wir über Pflege neu nachdenken und auch Widersprüche aushalten.“
Professor Hermann Brandenburg von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar sagte in seinem Vortrag, dass mehr Geld ins System gesteckt werden müsse, um die Pflegesituation in Deutschland zu verbessern. Der hohe Anspruch des Pflegeberufs sei derzeit in der Praxis aufgrund mangelnder Ressourcen nur bedingt umsetzbar, sagte der an der Pflegewissenschaftlichen Fakultät Lehrende. Auch beschneiden seiner Ansicht nach Bürokratisierung und Kontrolle sowie die Ökonomisierung zunehmend eine gute Pflege. Der Altersforscher rief die Teilnehmer dazu auf, auch bei unzureichenden Finanzmitteln ihre Handlungsspielräume zu nutzen. Die Gesellschaft müsse sich von einem teilweise grenzenlosen Gesundheitswahn verabschieden und wieder mehr die „Verletzlichkeit der menschlichen Natur“ in den Blick nehmen.
Die gemeinsame Verantwortung für eine zukunftsfähige und bezahlbare Pflege betonte Agnes Christner vom Städtetag Baden-Württemberg im Gespräch mit Dr. Eberhard Goll, Vorsitzender des Württembergischen Evangelischen Verbands für Altenhilfe. Goll wies darauf hin, dass in der Diakonie gute Konzepte entwickelt würden, die Refinanzierung der Tariflöhne aber bleibendes Thema sei. Ein geplantes Projekt zur Entbürokratisierung in der Pflege begrüßte Dagmar Hennings von den Zieglerschen im Gespräch mit Dr. Waltraud Hannes vom MDK Baden-Württemberg als „Paradigmenwechsel“.
Ministerialdirektor Jürgen Lämmle vom Sozialministerium Baden-Württemberg sicherte zu, „dass die Landesregierung dafür sorgen wird, dass der Rückenwind für gute Pflege nicht abflauen wird“. Für eine große Pflegereform setzt sich Roland Sing, Vorsitzender des Landesseniorenrats Baden-Württemberg, mit 240.000 Unterschriften ein. „Zur Pflege ist alles gesagt, nur von den Politikern wird nicht gehandelt.“
In eingespielten Videoclips kamen Mitarbeitende in Krankenhaus und Pflegeheim zu Wort, die ihren Beruf motiviert ausüben, aber den zeitlichen Druck auch aufgrund des knappen Personalschlüssels und der Dokumentationspflichten beklagten.
Die Diakonie Baden und Württemberg erreicht mit fast 70.000 Haupt- und vielen Ehrenamtliche täglich über 190.000 Menschen im Land.