Woche der Diakonie: Statement Oberkirchenrat Dieter Kaufmann
"Weil jeder von uns einmal Hilfe braucht."
..vom ersten Schritt in die Welt bis zum Abschied von dieser Welt in unterschiedlicher Intensität.
Statement von Oberkirchenrat Dieter Kaufmann
Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg
Ein Menschenkind erblickt das Licht der Welt. Egal ob in Stuttgart, London oder Timbuktu – es ist ein kleines hilfloses Wesen. Eltern sorgen – wenn es gut läuft! – für ihre Kinder und bereiten sie auf das eigenständige Leben vor. Irgendwann werden die Kinder selbst Kinder haben und diejenigen sein, die sich kümmern. Und die Fürsorge und Hilfe für ihre älter werdenden Eltern aufbringen. Oft geht das nicht ohne Unterstützung von außen.
Kaum ein Lebensweg verläuft glatt. Da ist die Scheidung, und der verlassene Partner braucht Trost und eine Schulter zum Anlehnen. Der Ernährer verliert seine Arbeit. Ebenso dringend wie einen neuen Job braucht er menschliche Zuwendung und Unterstützung. Der regelmäßig betrunkene 15-Jährige braucht eine Perspektive und einen Halt im Leben. Die Nachbarin mit dem gebrochenen Bein braucht jeden Tag eine warme Mahlzeit und Hilfe im Haushalt. Die Beispiele sind unendlich und zeigen auf: Der Mensch allein kann nicht. Er ist ein soziales Wesen und auf die Interaktion mit anderen angewiesen. Die Gemeinschaft gibt Sicherheit.
Menschen benötigen jeden Tag Hilfe – und erhalten sie. Die Diakonie setzt sich dafür ein, dass jeder Mensch mit jedem Anliegen und jedem Bedarf eine Anlaufstelle hat. 75.000 hauptamtliche Mitarbeitende der Diakonie in Baden-Württemberg haben ein engmaschiges Netz der Hilfe geknüpft und vermitteln bei Bedarf. Rund 45.000 ehrenamtlich Mitarbeitende verstärken dieses Netz. Sie bringen ihr Fachwissen, ihr Engagement und ihre Menschlichkeit ein. Sie praktizieren Nächstenliebe. In der Hausaufgabenhilfe, der Flüchtlingsarbeit, Alten- und Krankenpflege, im Hospiz usw.
In der Woche der Diakonie wollen wir „Danke“ sagen für die unermüdliche Hilfe, die unsere Haupt- und Ehrenamtlichen notleidenden Menschen Tag für Tag zuteilwerden lassen. Sie nehmen eine wichtige gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Aufgabe wahr und verdienen Wertschätzung. In der Woche der Diakonie richten wir das Augenmerk auf die laufende diakonische Arbeit. Sie unterliegt einem kontinuierlichen Wandel. Die Gründe dafür sind beispielsweise gesellschaftliche und politische Veränderungen: Aufgrund von Krieg, Hunger und Perspektivlosigkeit verlassen viele Menschen ihre Heimat und suchen ein neues Zuhause. Familiäre Strukturen haben sich verändert. Unsere Gesellschaft wird älter. Die Alterspyramide steht Kopf. Prognosen des Statistischen Bundesamtes zufolge wird es in 35 Jahren fast doppelt so viele Menschen über 80 Jahre geben wie unter 20-Jährige. Das heißt, es wird weniger Jüngere geben, die sich um immer mehr kranke und um alte Menschen kümmern können. Das heißt, dass Pflege und Betreuung neu zu definieren sind.
Von rund 2,7 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland leben rund 70 Prozent zu Hause. Rund 1,2 Millionen dieser Menschen bekommen ausschließlich Pflegegeld. Ihre Angehörigen kümmern sich um sie. Weitere 76.000 Pflegebedürftige, die zu Hause leben, erhalten Hilfe von ambulanten Pflegediensten. Die Nachfrage nach Leistungen ambulanter Pflegedienste ist seit 2009 um rund vier Prozent gestiegen. In Baden-Württemberg sind rund 300.000 Menschen pflegebedürftig. Tendenz stark steigend. 380.000 könnten es im Jahr 2030 sein. Für 2050 liegt die Prognose bei über 500.000 Pflegebedürftigen.
Die Diakonie Baden-Württemberg versorgt im ambulanten Bereich ca. ein Drittel der pflegebedürftigen Menschen und stellt ein Viertel der verfügbaren Plätze in stationären Einrichtungen.
Menschen wollen in der Regel so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben. Angesichts der angesprochenen Veränderungen braucht es dafür eine Weiterentwicklung von Hilfsangeboten. Es gilt beispielsweise die Nachbarschaftshilfe zu intensivieren, in Quartieren zu denken und zu handeln und integrierte Angebote mit Kirchengemeinden und Kommunen noch stärker zu fördern.
Gott hat uns als Beziehungswesen geschaffen und uns einander als Hilfe geschenkt. Dass wir aufeinander angewiesen sind, macht unsere Würde als Kinder Gottes aus. Diakonie praktiziert das auf unterschiedlichsten Ebenen und wird sich auch den künftigen Herausforderungen stellen. Dazu braucht Diakonie Unterstützung.
Die Woche der Diakonie zeigt, was Diakonie leistet und wie Spendengelder helfen. Diese beiden Projekte beispielsweise wären ohne die Unterstützung unserer Spender nicht möglich:
Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz in Öhringen – Demente Menschen leben selbstbestimmt in einer Wohnung. Möglich ist dies, weil eine gerontopsychiatrische Fachkraft und Alltagsbegleiterinnen ihnen bei Bedarf assistieren. Sie unterstützen die Bewohner in Tätigkeiten, die diese noch selbst erledigen können.
Mittagstische in Gemeinden und diakonischen Einrichtungen – Ein warmes Essen zu moderaten Kosten, Gespräche und Kontakte in freundlicher Atmosphäre, das ist für alleinlebende ältere Menschen und für Menschen mit wenig Geld oftmals ein Höhepunkt im Alltag. Sie erleben und geben Gemeinschaft.
Diakonie macht viel. Mit Spenden leistet sie noch mehr. Deshalb sammeln während der Woche der Diakonie über 1.700 Kirchengemeinden für die laufende Arbeit der Diakonie und werben für Nachwuchs. Weil jeder von uns einmal Hilfe braucht. Es ist nur eine Frage der Zeit…