Keine frohe Botschaft: Mehr Beschäftigte heißt nicht weniger Arbeitslose
Jobcenter haben ihr Ziel für 2015, Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren, nicht erreicht.
Keine nur frohe Botschaft ist für Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg, die regelmäßige Verkündigung der Agentur für Arbeit der steigenden Beschäftigtenzahlen in Baden-Württemberg. Diese schlagen sich nämlich nicht im Abbau der Arbeitslosigkeit nieder, stellt er fest. „Und mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit werden die Chancen auf Rückkehr in den Arbeitsmarkt immer geringer, werden die Risiken zunehmender Verarmung, gesundheitlicher Folgeschäden und sozialer Ausgrenzung immer größer.“
Stuttgart, 25. Dezember 2015. Das Statistische Landesamt meldet zwar über 100.000 mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gegenüber dem Vorjahr, jedoch hat sich die Arbeitslosigkeit im selben Zeitraum um weniger als 3.000 Personen reduziert. Zudem geht von den Personen, die ihre Arbeitslosigkeit beenden, nur ein kleiner Teil in eine normale Erwerbstätigkeit über. Bei den Hartz-IV-Empfängern im SGB II sind es nur 20 Prozent.
„Wir dürfen gerade in der Weihnachtszeit die Menschen nicht aus dem Blick verlieren, die über eine lange Zeit keinen Weg aus der Arbeitslosigkeit finden“, sagt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann. Viele Familien litten unter fehlender Perspektive und Unterstützung, was die Diakonie nicht hinnehmen will: „„Gott kommt draußen, im Stall, außerhalb der Gesellschaft zur Welt. In seinem Namen stehen wir für die ein, denen der Zugang zur Arbeitswelt und damit zu wesentlicher Anerkennung verschlossen ist.“
Es sind fast zwei Drittel der Arbeitslosen, rund 126.000 Personen, die als Hartz-IV-Empfänger im Rechtskreis des SGB II leben. Fast 70.000 Menschen sind langzeitarbeitslos. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB II hat sich seit 2009 um mehr als 160 Tage auf 583 Tage verlängert. Fast 40 Prozent der SGB-II-Empfänger in Baden-Württemberg sind länger als vier Jahre im Leistungsbezug.
Die Jobcenter bekamen im Jahr 2015 den Auftrag, vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit und den Langzeitleistungsbezug zu reduzieren. „Dieses Ziel ist eindeutig nicht erreicht worden“, sagt Kaufmann. Im Jahresverlauf ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen und im Jahresdurchschnitt 2015 auch ihre absolute Zahl gestiegen. Grund. Zu geringe Eingliederungsmittel. Laut Planung der Regionaldirektion müssen für das Jahr 2015 ca. 40 Millionen Euro von den Eingliederungs- zu den Verwaltungskosten umgeschichtet werden. Das Verwaltungskostenbudget ist damit mehr als doppelt so hoch wie das Eingliederungsbudget. Einzelne Jobcenter verwenden die Hälfte und mehr der für Eingliederungsmittel vorgesehenen Gelder für ihre Verwaltungskosten. Für den gesetzlichen Auftrag der Jobcenter bleibt immer weniger Geld übrig.
Die Problematik zeigt sich auch an den Zahlen zu den aktiven Eingliederungsmaßnahmen 2014. Während die Teilnehmerzahlen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im SGB III um knapp 3 Prozent gestiegen sind, sind sie im SGB II und damit für die Langzeitarbeitslosen um über 2 Prozent auf jahresdurchschnittlich 25.000 Personen gesunken. Insbesondere die Beschäftigung schaffenden Maßnahmen, die Förderung von Arbeitsgelegenheiten und Arbeitsverhältnissen, sind erneut um 13,6 Prozent reduziert worden.
Das Diakonische Werk Württemberg
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.