01. März 2016

Integration Langzeitarbeitsloser dringend erforderlich

Zwar mehr Beschäftigte, aber nicht weniger Arbeitslose.

Stuttgart, 1. März 2016. Heute hat die Agentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und die positive Arbeitslosenquote gegenüber anderen Bundesländern unterstrichen. Wir lenken den Blick auf Zahlen, die die Probleme des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg zeigen:

Die Zahl der Arbeitslosen ist nach dem deutlichen Anstieg im Januar im zweiten Monat des Jahres 2016 nur um 1 Prozent oder um 2.305 Personen geringfügig wieder gesunken. Auch der Rückgang gegenüber dem Vorjahresmonat um 1.883 Arbeitslose ist nur marginal. Dass die Arbeitslosenquote gegenüber Februar 2015 um 0,1Prozent gesunken ist, dürfte mehr am Anstieg der Beschäftigtenzahlen als am Sinken der Arbeitslosenzahlen liegen. Die Diakonie weist regelmäßig darauf hin, dass sich die positive Arbeitsmarktentwicklung fast nur bei den Kurzzeitarbeitslosen niederschlägt, während bei den Langzeitarbeitslosen kaum noch Veränderungen feststellbar sind. Derzeit steigt die Arbeitslosigkeit bei den Langzeiarbeitslosen sogar, während sie bei denen, die kürzer arbeitslos sind, deutlich zurückgeht. Zusätzlich verlängert sich im Jahresverlauf die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose deutlich. Sie liegt nun bei 567 Tagen und damit um 14 Tage über dem Wert von Februar 2015. Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger an den Arbeitslosen beträgt 56,3 Prozent und ist sowohl gegenüber dem Vorjahresmonat wie auch im Jahresverlauf gestiegen.

  • Die Gesamtzahl der Beschäftigten (Dezember 2015) ist gegenüber dem Vorjahr um 109.400 (plus 2,5 Prozent)  auf 4.420.700 gestiegen. Dass gleichzeitig die Arbeitslosigkeit nur um 1.883 Personen abgenommen hat, zeigt, dass die Arbeitsmarktentwicklung an den Arbeitslosen vorbei geht. Die Arbeitslosenquote sinkt stärker aufgrund der steigenden Gesamtbeschäftigtenzahl als wegen der sinkenden Arbeitslosenzahl.
  • Der relative Anteil der Hartz-IV-Bezieher (SGB II) ist gegenüber dem Vormonat wieder auf 56,3 Prozent gestiegen. Die absolute Zahl der SGB-II-Arbeitslosen beträgt jetzt 134.253, sie ist im Februar um 703 Personen oder 0,5 Prozent gestiegen. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie sogar um 1.584 deutlich gestiegen.
  • 72.045 Personen oder 30,2 Prozent aller Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos.Das sind gegenüber dem letzten Monat 733 Personen und gegenüber dem Vorjahresmonat nur 550 Personen weniger.
  • Betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Arbeitslosengeld-II-Bezieher. Sie sind an der Arbeitslosigkeit mit 56,3 Prozent, an der Langzeitarbeitslosigkeit aber mit 84,5 Prozent beteiligt.
  • Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit beträgt für Langzeitarbeitslose 567 Tage – zwei Tage weniger als im Vormonat, aber 14 Tage mehr gegenüber dem Vorjahresmonat. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit für Menschen, die noch nicht länger als ein Jahr arbeitslos sind, durchschnittlich 171 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat um 7 Tage gesunken.
  • Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass zwar im Februar 65.746 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, aber nur 22.012 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit wechselten.
  • Nur 18,2 Prozent derjenigen, die aus der Langzeitarbeitslosigkeit heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten auch eine Erwerbstätigkeit beginnen. Von den anderen waren das immerhin 46 Prozent.
  • Der Bestand an offenen Stellen beträgt 86.026, womit jeder gemeldeten offenen Stelle immer noch ungefähr drei Arbeitslose gegenüberstehen.
  • Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen ist gegenüber dem Vormonat nahezu unverändert. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie erneut um 1.210 auf nun nur noch 3.667 Plätze reduziert worden.

Mittlerweile fordert die Bundesagentur, dass das Sozialgesetzbuch II besser für die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen ausgerichtet und ausgestattet werden muss (gemeinsame Presseerklärung mit Städte- und Landkreistag vom 29.02.2016   ). Die Diakonie Württemberg fordert, der ständigen Kürzung der Eingliederungsmittel und ihrer Zweckentfremdung für Verwaltungskosten ein Ende zu setzen. Wurde bereits die Wiedervereinigung Deutschlands zu einem großen Teil aus dem Haushalt der Sozialversicherung finanziert, führte die internationale Finanzkrise zu den jahrelangen Kürzungen im Eingliederungsbudget, so darf jetzt nicht auch noch die unbestreitbar notwendige Integration der Flüchtlinge zulasten der schon lange hilfebedürftigen Menschen gehen, die bereits seit Jahren auf eine Chance auf Teilhabe an Arbeit warten.

Arbeitsmarkt-Wissenschaftler wie Matthias Knuth (Duisburg/Essen) und Claus Reis (Frankfurt/Main) weisen darauf hin, dass das Leitbild des Forderns und Förderns bei Langzeitarbeitslosen nicht mehr greift. Notwendig ist eine befähigende Arbeitsmarktpolitik. Die Diakonie fordert dies seit langem und hat mit dem Passiv-Aktiv-Transfer ein realistisches Finanzierungskonzept vorgelegt, während die Bundesregierung trotz positiver wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu handeln verpasst.

Mehr Informationen:
http://www.initiative-pro-arbeit.de/   
http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/   

Das Diakonische Werk Württemberg 
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.