Positive Arbeitsmarktentwicklung mit Schattenseiten
- Rund 105.000 Beschäftigte mehr, aber nur 18.143 Arbeitslose weniger als vor einem Jahr
- 279.891 Unterbeschäftigte zeigen das tatsächlich Ausmaß der Arbeitslosigkeit an.
- 55.289 Personen haben ihre Arbeitslosigkeit beendet, aber nur 17.449 Personen konnten in eine Erwerbstätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt übergehen.
Stuttgart, 30. August 2018. Fast alle Kennziffern des Arbeitsmarkts weisen eine positive Tendenz aus, dennoch hat die Entwicklung auch Schattenseiten. Der Bericht der Arbeitsagentur gibt an, dass im Jahresverlauf ca. 105.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse in Baden-Württemberg geschaffen wurden. Hieraus leiten sich die positiven Arbeitsmarktdaten ab, wobei die Arbeitslosigkeit nur mit einem Rückgang von 18.143 an diesem Beschäftigungsaufbau beteiligt ist.
Mehr Arbeitsverhältnisse bedeuten aber nicht unbedingt mehr Arbeit. Der Beschäftigungsaufbau ist vor allem ein Aufbau von Teilzeitarbeitsverhältnissen. Die Zahl der Erwerbstätigen und vor allem der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse spiegelt sich nicht gleichermaßen in der gesamtgesellschaftlichen Arbeitszeit wider. Das Statistische Landesamt stellt eine Abnahme der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen in Baden-Württemberg von 1.426 Stunden im Jahr 2000 auf 1.355 Stunden im Jahr 2016 fest. Auch 2017 ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen um 0,3 Prozent gesunken. Während die Gesamtzahl der Arbeitnehmer sich um nur 1,8 Prozent erhöhte, stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 4 Prozent auf einen Anteil von 25,5 Prozent an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Mehr Arbeitsverhältnisse bedeuten auch nicht, dass die Arbeitnehmer gleichermaßen mehr Einkommen erzielt haben. Der Reallohnindex ist 2017 nur um 0,6 Prozent gestiegen. Die Nominallohnsteigerung von 2,4 Prozent wurde durch die steigende Inflationsrate von 1,8 Prozent deutlich reduziert und ist ungleich verteilt. Bei Arbeitnehmern in leitender Stellung lag sie bei 2,5 Prozent, bei ungelernten Arbeitnehmern aber nur bei 2,2 Prozent. Die Zunahme der Teilzeitbeschäftigung findet aber vor allem im Bereich der gering qualifizierten Tätigkeiten statt, die damit ein besonders hohes Niedriglohnrisiko tragen müssen.
Der große Anteil an Teilzeit-Beschäftigten in Verbindung mit dem besonderen Niedriglohnrisiko in diesem Bereich lässt erwarten, dass der Anteil der Arbeitnehmer zunehmen wird, denen es nicht mehr möglich ist, sich existenzsichernde – oder bei befristeten Beschäftigungen überhaupt – Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu erarbeiten. Zudem ist mit einem wachsenden Anteil der Arbeitnehmer zu rechnen, denen es nicht mehr gelingen wird, sich eine armutssichere Alterssicherung aufzubauen.
Weitere Hinweise unter: O-Ton-Arbeitsmarkt