Positive Arbeitsmarktentwicklung – aber nicht für alle Arbeitslosen bringt das neue Jahr gute Aussichten
Stuttgart, 4. Januar 2019. Fast alle Kennziffern des Arbeitsmarktes weisen eine positive Tendenz aus, aber die positive Entwicklung hat auch eine Kehrseite. Abgesehen von der allgemeinen Eintrübung der wirtschaftlichen Entwicklung sinken die Zahlen der älteren, der behinderten und der ausländischen Arbeitslosen sehr viel langsamer als die Zahl der allgemeinen Arbeitslosigkeit und auch die Zahl der Unterbeschäftigung geht nicht gleichermaßen zurück. Trotz sinkender Arbeitslosigkeit nimmt die Zahl der Menschen, die von den Hartz-IV- Leistungen leben müssen, kaum ab. Insgesamt sind 434.569 Menschen auf diese Unterstützung angewiesen, davon 303.861 erwerbsfähige Leistungsberechtigte und 130.708 nicht erwerbsfähige Angehörige, vor allem Kinder und Jugendliche.
Die Zahl der Unterbeschäftigten – derer, die krank oder in Maßnahmen, aber eigentlich auch arbeitslos sind – fällt mit 269.849 deutlich höher aus als die der registrierten Arbeitslosen. Die Zahl der Arbeitssuchenden ist mit 374.489 Menschen doppelt so hoch wie die der registrierten Arbeitslosigkeit. Darüber hinaus hat die Unterbeschäftigung im SGB II sowohl absolut wie anteilsmäßig einen besonders hohen Anteil. Im SGB II werden 14.657 Personen über 58 Jahren nur deshalb nicht als Arbeitslose gezählt, weil ihnen die Jobcenter seit mehr als einem Jahr kein Arbeitsangebot machen konnten.
Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass im Dezember zwar 55.476 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, von diesen Personen aber nur 15.922 oder 28,7 Prozent aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt übergehen konnten. Im SGB II betrug diese Quote sogar nur 16,1 Prozent. Die Zu- und Abgänge in der Arbeitslosenstatistik sind ungleich verteilt: Die eher kurzzeitig Arbeitslosen im SGB III machen nur 47,2 Prozent aller Arbeitslosen aus, sie haben aber einen Anteil von 53,2 Prozent an denjenigen, die ihre Arbeitslosigkeit beenden konnten. Die eher langzeitig Arbeitslosen im SGB II sind 52,8 Prozent der Arbeitslosen insgesamt, aber auf sie entfallen nur 46,8 Prozent der Abgänge. Außerdem sind die Abgangszahlen aus der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr insgesamt um 2,1 Prozent und im SGB II sogar um 4,4 Prozent gesunken. Die Arbeitslosigkeit sinkt nicht deshalb, weil mehr Menschen eine Arbeit finden, sondern sie sinkt, weil sich weniger Menschen arbeitslos melden.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Baden-Württemberg ist um ca. 92.941 gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Die Arbeitslosigkeit konnte hingegen nur um 10.495 Arbeitslose reduziert werden. Hier wird deutlich, dass die Arbeitsagenturen von Seiten der Unternehmen nur bei weniger als der Hälfte der Stellenbesetzungen angefragt werden und dass nur 14 Prozent der tatsächlichen Stellenbesetzungen über die Arbeitsagenturen erfolgen.
Die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit zeigt sich besonders an der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose, die im SGB-II-Bereich jetzt bei 592 Tagen liegt. Im Jahr 2009 lag die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB II noch bei 421 Tagen, also 171 Tage oder fast ein halbes Jahr weniger als heute. Es gibt zwar auch im Rechtskreis des SGB II weniger Arbeitslose, aber die bleiben dafür immer länger arbeitslos.
Arbeitslose, vor allem Langzeitarbeitslose, haben trotz guter Arbeitsmarktzahlen weiterhin schlechte Chancen am Arbeitsmarkt. Langzeitarbeitslose brauchen vor allem eine aktive Unterstützung durch öffentlich geförderte Beschäftigung. Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen ist mit 4.762 Plätzen und einem Anteil von nur 5,9 Prozent an den insgesamt 81.036 arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vollkommen unbefriedigend. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen beträgt insgesamt 50.631, 27,3 Prozent aller Arbeitslosen. Gerade diese Menschen sind auf Beschäftigung schaffende Maßnahmen angewiesen, da sie oft keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt haben.
Mit dem neuen Teilhabechancengesetz sollen in Baden-Württemberg bis zu 2.000 Beschäftigungsverhältnisse für Langzeitarbeitslose geschaffen werden. Die Diakonie begrüßt dieses Gesetz ausdrücklich, auch weil es mit dem Passiv-Aktiv-Transfer auf Überlegungen und Vorschläge der Diakonie Württemberg seit dem Jahr 2003 zurückgeht. Aber angesichts des Bestandes an Langzeitarbeitslosen, die auf diese Unterstützung angewiesen sind, kann es nur ein Einstieg in einen zuverlässigen Sektor öffentlich geförderter Beschäftigung sein.
Die Diakonie fordert die Bundesregierung und alle Parteien im Bundestag dringend dazu auf, die positive wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen, um Langzeitarbeitslosen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen.
Weitere Hinweise unter: http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/