Alarmierender Anstieg: Wohnungsnot erreicht erneuten Höchststand in Baden-Württemberg
Immer mehr Menschen geraten in Baden-Württemberg in Wohnungsnot und sind auf professionelle Beratung und Unterstützung angewiesen. Das ist ein Ergebnis der Stichtagserhebung der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg, deren besorgniserregende Zahlen am 6. Februar 2024 im Rahmen einer Pressekonferenz veröffentlicht wurden.
Insgesamt 12.688 Menschen wurden am 29. September 2023 in Einrichtungen und Diensten der Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg beraten und unterstützt. Zum zweiten Mal in Folge wird ein neuer Höchststand erreicht. Die Liga-BW fordert das Land und die Kommunen dazu auf, ihrer Verantwortung für die Situation von wohnungslosen Menschen entschlossener nachzukommen und wirksame Hilfsangebote auszubauen.
„Die Zahl der Hilfesuchenden in den Diensten und Einrichtungen der Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe erreicht erneut einen besorgniserregenden Höchststand. Zehn Jahre nachdem das Land eine wegweisende Studie zum Ausmaß von Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg auf den Weg gebracht hat, müssen wir heute feststellen: Das Problem der Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg bleibt nicht nur ungelöst, sondern hat sich seitdem sogar deutlich verschärft“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Liga-BW, Marc Groß.
Bei den Menschen, die mit den vielfältigen Angeboten der Wohnungsnotfallhilfe unterstützt werden, werden die sozialen Folgen der umfassenden Krisen der letzten Jahre in aller Deutlichkeit sichtbar. „Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Baden-Württemberg ist seit Jahren eklatant. Hiervon sind Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, besonders betroffen. Die Rückkehr in eigenen Wohnraum gelingt nur selten“, erläutert Marc Groß. Die Politik müsse dringend handeln. Präventive und vernetzt arbeitende Unterstützungsangebote seien auszuweiten und zu stärken. Die Sicherung von Wohnraum für Menschen, die sich in Schwierigkeiten befinden, habe Priorität. „Dringend notwendig sind zudem Förderprogramme, die gezielt Wohnraum für Menschen schaffen, die sich in verfestigter Wohnungslosigkeit befinden“, so Groß weiter.
Häufig werde die existenzielle Notlage zu einem Dauerzustand, in dem eine Abwärtsspirale einsetze. Mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen. „Mit Sorge beobachten wir, dass nicht nur die Zahl der Menschen in Not zunimmt, die wir versorgen. Hinzu kommt, dass die individuellen Problemlagen immer komplexer und herausfordernder werden. Unsere Kolleginnen und Kollegen weisen verstärkt auf massive gesundheitliche Beeinträchtigungen, psychische Erkrankungen und Verelendungssymptome bei den Hilfesuchenden hin“, berichtete Simon Näckel, Sprecher des Liga-Unterausschuss Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe. „Die Anforderungen an die professionelle Hilfe sind weiter gestiegen. Die Wohnungsnotfallhilfe arbeitet seit langem an, häufig über der Belastungsgrenze, um Notlagen zu lindern oder zu überwinden.“
Auch der demografische Wandel zeichnet sich bei den Hilfesuchenden ab. Der Anteil der über 50-jährigen Menschen, die in der Wohnungsnotfallhilfe unterstützt werden, nimmt seit Jahren kontinuierlich zu und liegt mittlerweile bei über 43 Prozent. „Ältere und vorgealterte wohnungslose Menschen weisen häufig besondere gesundheitliche Beeinträchtigungen auf und sind besonders vulnerabel. Sie benötigen spezifische Unterstützungsangebote der gesundheitlichen Versorgung und Pflege“, so Simon Näckel. Die Liga-BW und die kommunalen Spitzenverbände haben aus diesem Grund gemeinsame Empfehlungen für die Sicherung und Weiterentwicklung bedarfsgerechter Angebote für ältere und pflegebedürftige Personen erarbeitet. „Wir erwarten, dass diese Empfehlungen flächendeckend umgesetzt werden“, fordert Näckel.
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg hat zum 32. Mal in den Diensten und Einrichtungen der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege die Anzahl der Bürgerinnen und Bürger in den Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII in Baden-Württemberg erhoben. Beteiligt waren insgesamt 349 kommunale und freie Träger der Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe. Die meisten der erfassten Personen nutzen die ambulanten Angebote wie Fachberatungsstellen oder Tagesstätten.