Der Bluttest auf Trisomien: Zerreißprobe für werdende Eltern und Gesellschaft
Unterschiedliche Professionen erläuterten die Chancen, Risiken und Grenzen des mütterlichen Bluttests auf Trisomie 13, 18 und 21. Dieser steht schwangeren Frauen ab Juli 2022 als Kassenleistung zur Verfügung. Was dies für werdende Eltern bedeuten kann und welche Fragen dies für unsere Gesellschaft aufwirft, wurde bei der digitalen Veranstaltung „Der Bluttest auf Trisomien: Zerreißprobe für werdende Eltern und Gesellschaft“ am 10. Mai 2022 in mehreren digitalen Räumen diskutiert. Dabei wurde die ethische, die medizinisch-fachliche und die Elternperspektive näher beleuchtet. Alle Beteiligten waren sich einig, dass Inklusion in unserer Gesellschaft weiter vorangebracht werden muss.
Oberkirchenrätin Annette Noller, Vorstandsvorsitzende Diakonie Württemberg, sieht in der Kassenfinanzierung des Bluttests grundlegende Werte in unserer Gesellschaft berührt – Werte zu Beginn des Lebens und Werte hinsichtlich Krankheit und Behinderung. Sie sieht die Verantwortung der Gesellschaft darin, zu signalisieren, dass jede und jeder willkommen ist und werdende Eltern nicht alleine gelassen werden.
„Der Bluttest untergräbt das Vertrauen in das Leben“, so Thomas Maier, Direktor der Missionsschule Unterweissach. Er berichtet aus eigener Erfahrung, dass gerade auch die Unterstützung aus dem nahen Umfeld für die werdenden Eltern essentiell wichtig ist.
Auch Daniela Rinderknecht, Referentin der PUA- Fachstelle, kann in dem Suchtest auf Chromosomenveränderungen keinen medizinischen Nutzen sehen, da er keine Behandlungsmöglichkeiten eröffnet. Außerdem erschwert die Finanzierung durch die Solidargemeinschaft das Treffen von selbstbestimmten Entscheidungen.
„Der Bluttest auf Trisomien als Kassenleistung stellt eine große Herausforderung an die Beratung in der Frauenarztpraxis dar“, meint Dr. Christine Nietschke, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Pforzheim. Innerhalb kurzer Zeit muss sehr klar herausgearbeitet werden, für wen dieser Test wann sinnvoll sein kann und wozu.
Gabriele Holzwarth, Schwangerenberaterin Ludwigsburg, befürchtet einen Erwartungsdruck zur Durchführung des Tests unabhängig von individuellen Risiken und sorgt sich um einen entstehenden Rechtfertigungsdruck auf Eltern, die sich für ein Kind mit Behinderung entscheiden.
Ines May, Mutter eines 5-jährigen Jungen mit Down- Syndrom, glaubt, es gibt so viele Vorurteile gegen Menschen mit Behinderung, weil es zu wenig Begegnung im Alltag gibt. Sie ist überzeugt mehr Inklusion im Alltag würde Barrieren abbauen.
Prälat Ralf Albrecht aus Heilbronn beschloss den Abend mit einem Resümee. Darin betonte er die unverlierbare Würde eines jeden Menschen. Die Herausforderung bestehe darin, dies auch an den absoluten Rändern des ganz frühen und ganz späten Lebens in aller Ratlosigkeit durchzubuchstabieren. Anstelle von Zugzwang, sozialem Druck und ökonomisch effizienter Sichtweise brauche es die Botschaft: „Du bist geliebt. Du bist getragen. In schwierigen Situationen stehen wir zum Leben.“
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