Prostitution im Landkreis Esslingen: Ist ein Sexkaufverbot die Lösung?

Diskussion über Unterstützung und Schutz von Menschen in der Prostitution in der Zehntscheuer in Leinfelden-Echterdingen.
Das Thema Prostitution im Landkreis Esslingen und die Diskussion um ein mögliches Verbot der Prostitution in Deutschland, dem sogenannten „Nordischen Modell“, bewegen die Gemüter. So war die Zehntscheuer in Leinfelden-Echterdingen am 08. März auch gut besucht, als ein breites Bündnis aus Diakonie und Vereinen zu einer Lesung und Podiumsdiskussion eingeladen hatte. Schließlich ist Prostitution im Landkreis sehr präsent: Offiziell gibt es acht gemeldete Einrichtungen und über hundert Prostituierte. Die Dunkelziffer dürfte jedoch auch nach Angaben der Polizei beträchtlich sein.
Mit dabei waren der schwedische Autor und Polizist Simon Häggström, Solveig Senft von Sisters e.V. sowie Tanja Herbrik, Geschäftsführerin des Kreisdiakonieverbands im Landkreis Esslingen, dem Träger des Projekts „Rahab“, das Menschen in der Prostitution im Landkreis berät und begleitet. Das Podium wurde von der Journalistin Hilke Lorenz moderiert.
Zu Beginn wurden Passagen aus Häggströms Buch vorgelesen und der Autor berichtete von seiner Arbeit als Ermittler im schwedischen Rotlichtmilieu. Er betonte, dass das seit 1999 bestehende Sexkaufverbot in Schweden rechtlich und gesellschaftlich einen Wandel herbeigeführt habe. Der Kauf von Sex sei mittlerweile stark schambehaftet und schon in der Schule werde vermittelt, dass Sex und somit der Körper einer Frau nicht käuflich sind. Häggström sieht im Verbot der Prostitution einen wirksamen Schutz für Prostituierte, die damit Anspruch auf Hilfe haben, während Zuhälter und Freier bestraft werden.
Auch Solveig Senft von Sisters e.V., einem bundesweit tätigen Verein, der Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution hilft, machte deutlich, dass ein Umdenken nötig sei. In Deutschland würden Bordelle und Sexkauf als normal wahrgenommen, obwohl auch bei uns die meisten Frauen nicht freiwillig in der Prostitution arbeiten. Sie findet: „Mit unserer gesetzlichen Lage wird Prostitution sogar gefördert“. Für jeden anderen Job benötige man eine Sozialversicherungsnummer, ein Bankkonto, eine Meldeadresse und eine Krankenversicherung. In der Prostitution gebe es diese bürokratischen Hürden nicht.
Tanja Herbrik, Geschäftsführerin des Kreisdiakonieverbands meint: „Das wichtigste ist es, den Prostituierten auf Augenhöhe zu begegnen“. Die Beratungsstelle Rahab der Diakonie bietet nicht nur Beratung, sondern leistet auch praktische Hilfe – von der Unterstützung bei bürokratischen Hürden bis zur Begleitung beim Ausstieg aus der Prostitution. Doch dieser Weg sei oft schwierig, so Herbrik, unter anderem wegen fehlendem Wohnraum und gesellschaftlicher Stigmatisierung. Das Team von Rahab arbeitet aufsuchend, geht in Bordelle und bietet Gespräche und Unterstützung nach Bedarf an.
„Ich freue mich über den gesellschaftlichen Wandel mit Blick auf die Frauen in der Prostitution“, so Herbrik, „wichtig wäre hier jedoch auch finanzielle Unterstützung durch Politik und Staat.“ Denn 2026 endet die finanzielle Förderung für das Projekt Rahab, was dessen Fortbestand gefährdet.
Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, das sich in Deutschland etwas ändern müsse. Die aktuelle Gesetzeslage schütze Prostituierte nicht ausreichend. Projekte wie Rahab oder auch die von Sisters e.V. leisten wichtige Arbeit, doch ohne politische und auch gesellschaftliche Unterstützung bleibt echter Wandel schwer erreichbar.