Studientagung in der Slowakei
Unter dem Thema „Jugend in der Kirche“ haben sich Vertreterinnen und Vertreter der württembergischen Diakonie und Landeskirche, der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der slowakischen lutherischen Kirche in der Slowakei getroffen
Der Schwerpunkt der Tagung im Rahmen der Dreikirchenpartnerschaft in Liptoský Mikuláš unweit der Hohen Tatra lag auf der Vorstellung des evangelischen Schulwesens und der Jugendarbeit im evangelischen Jugendverband des Gastlands. Besucht wurden ein evangelisches Gymnasium, ein Freizeitheim und soziale Projekte zur Wiedereingliederung ehemals alkoholabhängiger junger Erwachsener. Besonderes Augenmerk lag auf der Arbeit der Schulseelsorge und der Verbindung zwischen evangelischer Schule und Kirchengemeinde. Deutlich wurde das Interesse der slowakischen Geschwister an weiteren Schulpartnerschaften mit Schulen in Deutschland und Europa.
„Ich wünsche jedem von uns, das wir in diesen Tagen viele ermutigende und inspirierende Momente erleben. Wir freuen uns über unsere Dreikirchenpartnerschaft.“ Mit diesen Worten eröffnete der Generalbischof der Evangelischen Kirche A.B. in der Slowakei, Ivan Eľko, die diesjährigen Studientage.
Eine neunköpfige Delegation aus Württemberg nahm an den Studientagen teil, darunter Sabine Foth, Präsidentin der Landessynode, Christine Keim, Leiterin der Abteilung Mission, Ökumene und Entwicklung im Evangelischen Oberkirchenrat und Pétur Thorsteinsson, Geschäftsführer der württembergischen Landesstelle Hoffnung für Osteuropa im Diakonischen Werk Württemberg.
Die Studientage waren eine Mischung aus Vorträgen und Projektbesuchen. Stark beeindruckt waren alle Anwesenden von der Arbeit des Diakonischen Zentrums in Veľký Slavkov. Hier erhalten junge Männer die Möglichkeit, sich aus der Sucht zu befreien, finden in der Gemeinschaft eine Familie auf Zeit an Stelle von Obdachlosigkeit. Und sie werden dabei unterstützt, als angelernte Hilfskräfte das Nötigste verdienen zu können. Dieses Projekt wird regelmäßig von Hoffnung für Osteuropa mit finanziert.
Aber auch die traditionelle kirchliche Jugendarbeit, die Kinderkirchenarbeit, Freizeitarbeit der Jugendwerke, Jugendkirchen und Freiwilligendienste wurden analysiert und es wurde nach tragfähigen Zukunftsmodellen gefragt – auch nach solchen, die in der Dreikirchenpartnerschaft durchführbar wären.
Studientagungen der Dreikirchenpartnerschaft werden einmal jährlich an wechselnden Orten veranstaltet. Die nächste Studientagung findet im Rahmen der Christlichen Begegnungstage vom 7. bis 9.6.24 in Frankfurt/Oder-Slubice statt.
Stark beeindruckt war die gesamte Gruppe von dem evangelischen Schulwesen in der Slowakei, wie auch die folgenden Statements von zwei Fachmännern aus der württembergischen Delegation deutlich machen:
Statement von Gerd Bürkle (Ev. Schulwerk in Baden und Württemberg):
Der Erstkontakt zum slowakischen Schulwesen im Allgemeinen war sehr interessant. Besonders die strategische Bedeutung der evangelischen Schulen in Trägerschaft der Evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses in der Slowakei. Eine Kirche von der Größe einer Prälatur hat engagiert sich mit mehr Schulen als wir in Württemberg. Alles (wieder) neu erstanden nach 1989. Die Vertreter der Schulen und auch der Kirche haben deutlich gemacht, dass die Schularbeit für sie existentiell ist, um Menschen außerhalb der Kirche für den Glauben zu erreichen.
Beeindruckt hat mich die Zusammenarbeit zwischen Schule und Ortsgemeinde, in der Schule lassen sich die Jugendlichen zu Jugendkreisen in den Kirchengemeinden einladen.
Die Bischöfe sind sehr an dem Lebensraum Schule interessiert und besitze ein großes Wissen.
Abseits der Schulen hat mich die Arbeit der Jugendorganisation SEM bemerkenswert. Den Verantwortlichen spürt man ab, dass sie für ihr Werk brennen. Die Vielfalt an Aktivitäten und Aktionen lassen einen staunen.
Ich bin dankbar die Chance bekommen zu haben an diesen Studientagen teilnehmen zu können. Im Herbst werden wir vom Schulwerk im Rahmen einer Leitungsqualifikation einer Gruppe von neuen Schulleitungen eine Exkursion nach Wien und Bratislava kommen, um evangelische Schulen im Ausland kennenzulernen. Ziel ist das Lernen am Anderen. Ich freue mich dann wieder in Bratislava zu sein.
Statement von Helmut Dinkel (Schulleiter Ev. Lichternstern-Gymnasium Sachsenheim):
Jetzt weiß ich besser Bescheid, wie das Schulwesen der Evangelischen Kirche der Slowakei aufgestellt ist. Wir wurden herzlich empfangen und erhielten viele Informationen. Beeindruckend für mich, wie nah die Kirchenleitung an ihren Schulen dran ist.
Warum mich das interessiert? Seit 2006 haben wir regelmäßig Gastschüler:innen unserer evangelischen Partnerschule aus Banská Bystrica am Evang. Lichtenstern-Gymnasium in Sachsenheim. Beim Gegenbesuch lernen unsere Schüler:innen etwas von der slowakischen Kultur, der wunderbaren Natur und natürlich auch den Schulalltag in einem anderen Land in der Mitte Europas kennen. Wertvolle Erfahrungen, die man über die Schule hinaus für sein Leben macht.
Warum evangelische Schulen? Wir orientieren uns an einem christlichen Menschenbild, das auf dem Gedanken der Ebenbildlichkeit Gottes ruht. Die besondere Würde des Menschen wollen wir in unserer Schulgemeinschaft leben und dabei offen sein für andere Religionen und Kulturen. Diesen Bildungsauftrag verstehen wir als diakonisches Handlungsfeld. Wir wollen Chancen eröffnen und Wege aufzeigen, als verantwortlich handelnde Bürger unsere Gesellschaft zu gestalten und zu tragen.
2024 werden die Studientage der Drei Kirchen Partnerschaft in einer Sonderform durchgeführt, durch eine gemeinsame Teilnahme an den Christlichen Begegnungstagen in Frankfurt/Oder und Slubica Polen vom 7. bis 9. Juni.
Über die Anfänge (von Pétur Thorsteinsson):
Die Dreikirchenpartnerschaft wurde 1994 gegründet. Die Teilnahme des Theologischen Referenten der Diakonie Württemberg am Konvent der Diakoniepfarrer in Thüringen in März 1989 und die Fahrt einer vierköpfigen Delegation aus Württemberg nach Bratislava im April 1992 sind nur zwei Beispiele für die Anfänge. Der Mauerfall und die Öffnung Osteuropas kamen politisch hinzu.
Für uns im Jahr 2023 kaum nachvollziehbar: Damals lag plötzlich Spannung, sogar Vorfreude in der Luft. Könnte es klappen das die jahrzehntelange Tradition der Partnerschaft der beiden Landeskirchen Thüringen und Württemberg eine neue Wendung bekommen könnte, indem die slowakische Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses hinzugefügt werden würde? Neugier und Interesse trieben die Menschen der ersten Stunde der Partnerschaft, ihr tiefer Glaube und die Überzeugung, dass eine diakonische Kirche grenzüberschreitend arbeitet, gaben ihnen die nötige Kraft
Anders als von manchen erhofft führte die Öffnung der innerdeutschen Grenze nicht dazu, das die Kirchengemeinden in Thüringen und Württemberg ihre Partnerschaften intensivieren würden. Es trat eher ein Stillstand, ein Abwarten ein. In den für die Partnerschaft zuständigen Diakonischen Werken der beiden Landeskirchen war eine Ratlosigkeit zu spüren. Aber auch Hoffnung: Am 17. Juni 1992 fand das jährliche Treffen der württembergischen Kirchenbezirksbeauftragten unter dem Motto „Die Partnerschaft Thüringen – Württemberg. Auslaufmodell oder neues Design?“ statt. Bei diesem Anlass wurde vorgeschlagen, die Partnerschaft um die Slowakei auszuweiten. Man einigte sich auf einen Versuch. Im Herbst kam eine Delegation mit je zwei Vertreterinnen und Vertretern der 14 Seniorate der lutherischen Kirche in der Slowakei nach Württemberg. Es folgte ein klares Signal der slowakischen Senioraten. Die Ausführung sollte gemeindenah gestaltet, Partnerschaften klar zugeordnet. Auch wenn sich seither viel verändert hat, ist klar: Die Partnerschaft ist heute ein fester Bestandteil im Leben von Kirche und Diakonie in Württemberg, Mitteldeutschland und der Slowakei.