Zusammenhalten in der Ukraine-Krise
Der Krieg in der Ukraine hat eine große Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber schutzsuchenden Menschen aus der Ukraine ausgelöst. Dies ist sehr beeindruckend und wir sind allen Menschen, die sich engagieren, dankbar. Gleichzeitig mehren sich Berichte, wonach es zunehmend zu Diskriminierungen gegenüber russischsprachigen Communitys in Deutschland kommt.
Der Schutzstatus nach § 24 Aufenthaltsgesetz gilt für alle Geflüchteten aus der Ukraine: Für Personen mit ukrainischem Pass und für Drittstaatsangehörige, die in der Ukraine einen Schutzstatus inne hatten oder sich zu Kriegsbeginn in der Ukraine aufgehalten haben und nicht dauerhaft sicher in das Heimatland zurückkehren können.
Wir beobachten, dass drittstaatsangehörige Flüchtlinge – meist aus Entwicklungsländern – und Minderheiten wie Romnja aus der Ukraine teilweise Ungleichbehandlung durch die Ausländerbehörden wie auch durch private Hilfeangebote erfahren. Auch fühlen sich Geflüchtete aus anderen Ländern hierzulande diskriminiert, da Flüchtlinge aus der Ukraine aufgrund der Inkraftsetzung der europäischen Massenzustromrichtlinie nun unbürokratisch und schnell Schutzgewährung sowie Zugang zu Leistungen und Arbeit finden, während sie selbst ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ohnmächtig oft jahrelang in der Perspektivlosigkeit leben.
Im Alltag erleben derzeit viele russischsprechende Menschen und bi-nationale Familien diskriminierende Situationen. Sie werden unter Generalverdacht gestellt und stigmatisiert, manche trauen sich kaum noch russisch in der Öffentlichkeit zu sprechen, Kinder wollen nicht mehr zur Schule gehen.
Vereinfachende Zuschreibungen und Zuordnungen, Diskriminierung, Ausgrenzung, Hetze und Falschinformationen, die unschuldige Menschen zur Projektionsfläche machen, sind gefährlich für den Frieden und nicht hinnehmbar.
Die Hilfe für Ukrainer/innen darf nicht zu Konkurrenz um Unterstützung oder zu Neid-debatten führen und neue gesellschaftliche Konfliktfelder erschaffen – weder unter geflüchteten Menschen, noch im Verhältnis zu Menschen mit russischem oder russlanddeutschen Familienhintergrund noch im Verhältnis zu Menschen mit geringem Einkommen, die angesichts steigender Energie- und Lebensmittelkosten Existenznöte erleben.
Die Diakonie Württemberg betont, dass das Miteinander einer Gesellschaft stets von Respekt füreinander und vom Austausch miteinander lebt. Demokratie bedeutet somit auch eine Lebensform in einer demokratischen Staatsform. Grundlage ist die Würde des Menschen, sie steht im Mittelpunkt des diakonischen Auftrags wie des Grundgesetzes – und sie ist unteilbar.
Die aktuelle Situation erfordert Nothilfe für die Menschen in der Ukraine, in den Anrainerstaaten und hierzulande. Gleichzeitig gilt es, alle geflüchteten Menschen gleich zu behandeln und Unterstützungsangebote inklusiv auszurichten.
„Als Diakonie sehen wir unsere Aufgabe darin, allen Menschen Unterstützung und Hilfe in Notsituationen zukommen zu lassen und soziale Gerechtigkeit und gesell-schaftlichen Zusammenhalt in Krisen zu fördern Wir wollen Hoffnungszeichen durch konkrete Hilfen setzen, Ressourcen stärken und seelischen Trost spenden“ – so die Vorstandsvorsitzende Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller.
Diskriminierung und pauschale Verwerfungen finden sich auch in Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen. Hier wie dort treffen Menschen mit unterschiedlichen Biografien aus der Ukraine und Russland zusammen. In diakonischen Angeboten wie Tafelläden, Mittagstischen etc. begegnen sich Flüchtlinge und Menschen mit geringem Einkommen.
Wo Stigmatisierung, Ausgrenzung etc. wahrgenommen werden, müssen diese von der Leitung sensibel aufgenommen und bearbeitet werden. Gegebenenfalls müssen auch deutlich Grenzen aufgezeigt und eingefordert werden. Es gilt auch wahrzunehmen, wie hinter der Abwertung und Ausgrenzung anderer oft eigene Ängste und Unsicherheiten stehen und Menschen sich mit ihren Problemen allein gelassen fühlen. Friedenspädagogische Arbeitshilfen und Maßnahmen können in diesen Prozessen hilfreich sein.