04. Februar 2021

Behindertenhilfe bleibt auf Mehrkosten durch Corona sitzen

Diakonie ruft Land und Kommunen dringend zur Einigung auf

Stuttgart, 4. Februar 2021. Mit Unverständnis reagiert die Diakonie Württemberg darauf, dass die Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ihre durch die Corona-Pandemie bedingten Mehrkosten immer noch nicht erstattet bekommen. Sie ruft Land und Kommunen zu einer Einigung in der Frage der Finanzierung auf. „Diese Benachteiligung ist nicht zu rechtfertigen und muss beendet werden“, sagt Kirchenrätin Eva-Maria Armbruster, Vorstand Sozialpolitik im Diakonischen Werk Württemberg. Was für Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser und in anderen Bundesländern auch für die Behindertenhilfe selbstverständlich sei, könnten Einrichtungen in Baden-Württemberg nicht geltend machen. Schutzbekleidung, Hygieneartikel, mehr Personal bei kleineren Gruppen und Isolier- und Quarantänestationen sind Beispiele für unumgängliche und wesentliche Mehrausgaben in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Die Einrichtungen sind hier in Vorleistung gegangen und warten seither auf einen finanziellen Ausgleich.

Auch Dr. Robert Bachert, Finanzvorstand im Diakonischen Werk Württemberg, sieht die Situation in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung mit Sorge. „Zusätzlich zu den nicht erstatteten Mehrkosten müssen die Einrichtungen auf Einnahmen verzichten, weil sie durch die Schließung von Werkstätten fehlende Produktionsaufträge zu verzeichnen haben und freie Wohnplätze wegen der Pandemie nicht belegen können.“ Für Bachert ist es nicht hinnehmbar, dass die für die Finanzierung in der Behindertenhilfe zuständigen Stadt- und Landkreise in dieser Sache auf das Land Baden-Württemberg verweisen. „Wenn die Kommunen nicht bald zu ihrer Verantwortung als Träger der Hilfe für Menschen mit Behinderung stehen, sieht es für die Angebote für Menschen mit Behinderungen düster aus.“ Die Behindertenhilfe treffe diese Benachteiligung besonders hart, weil sie mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes schon herausgefordert sei.

Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, ruft die Verantwortlichen von Land und Kommunen zu einem Abschluss der Klärungsgespräche auf. „Wenn unsere Einrichtungen für Menschen mit Behinderung für die coronabedingten Mehrkosten jetzt nicht bald einen finanziellen Ausgleich bekommen, wirkt sich das in dieser Krise letztlich negativ auf die Angebote für Menschen mit Behinderung aus.“

Hintergrund
Anders als für zugelassene Pflegeeinrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch XI (Leistungen der Pflegeversicherung) wurde vom Bundesgesetzgeber für den Eingliederungshilfebereich (Hilfe für Menschen mit Behinderung) kein entsprechendes Kompensationsverfahren zur Geltendmachung der coronabedingten Mehraufwendungen sowie Mindereinnahmen geschaffen. Eigentlich ist die Sicherstellung der für die Leistungserbringung notwendigen finanziellen Ausstattung der Leistungserbringer Aufgabe der jeweiligen Stadt- und Landkreise als Träger der Eingliederungshilfe bzw. der Sozialhilfe im Rahmen der Erfüllung der weisungsfreien Pflichtaufgaben. Dazu gehört auch die Sicherstellung der Leistungserbringung in Krisenzeiten. Mit dem Stabilitäts- und Zukunftspakt vom 28. Juli 2020 haben die Stadt- und Landkreise u. a. auch für diesen Zweck Finanzmittel vom Bund und vom Land erhalten. Dennoch haben sich die Leistungsträger außer Stande gesehen, die aufgerufenen Summen bzgl. der coronabedingte Mehraufwendungen und Mindereinnahmen in den Einrichtungen der Menschen mit Behinderung auszugleichen.