Fachberatungsstelle für Prostituierte droht das Aus
Kommunen und Land müssen Beratungsarbeit für Prostituierte sichern
Stuttgart/Heilbronn, 22. Dezember 2020. Die Fachberatungsstelle für Prostituierte der Diakonie in Heilbronn ist in ihrer Existenz bedroht. „Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Ausübung von Prostitution schon eine lange Zeit verboten. Frauen, die in der Prostitution arbeiten, brauchen dringend Unterstützung und Begleitung, um die Krise zu überstehen und eine Perspektive für ihr Leben zu entwickeln“, sagt Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg. „Seit Jahren schon ist die fachliche Beratung von Frauen und Männern, die in der Prostitution arbeiten, unterfinanziert. Das ist angesichts der oft schwierigen Lebenssituation der Betroffenen besonders gravierend. Wir bitten die Stadt Heilbronn und das Land eindringlich, gemeinsam eine finanzielle Basis für die Arbeit der Fachberatungsstelle für Prostituierte zu schaffen. Es darf nicht sein, dass diese bewährte, über Jahrzehnte verlässlich aufgebaute Arbeit aufgegeben werden muss.“
Die im Moment vom Land erarbeitete Verwaltungsvorschrift für alle Fachberatungsstellen, die sich im Arbeitsfeld „Gewalt gegen Frauen“ engagieren, müsse dringend eine höhere finanzielle Förderung vorsehen. Der bisher vorgesehene Förderbetrag werde dazu führen, dass die Beratungsarbeit in Heilbronn eingestellt werden muss. Die Förderung liege um ein Fünffaches unter dem Betrag, der gebraucht wird, um die Arbeit fortzusetzen. Die Verwaltungsvorschrift treffe die gesamte Beratungsarbeit gerade in der Corona-Krise besonders hart.
„Seit Jahren bemühen wir uns auf allen Ebenen darum, eine Basis für diese Arbeit zu legen. Im Moment wissen wir nicht, ob und wie wir im Jahr 2021 unsere Arbeit fortsetzen können. Wir brauchen eine Mischfinanzierung: zunächst einen kommunalen Zuschuss, der es ermöglicht, die Beratung für die Stadt Heilbronn abzudecken. Aber Prostitution ist ein mobiles Feld. Deshalb braucht es zusätzlich Mittel vom Land für die Arbeit mit Prostituierten, die außerhalb von Heilbronn wohnen. Zudem sind Projektmittel notwendig, um die Weiterentwicklung der Arbeit zu fördern“, sagt Karl Friedrich Bretz, Geschäftsführer der Diakonie im Heilbronner Land.
Die bei der Mitternachtsmission Heilbronn angesiedelte Stelle ist in Trägerschaft von Diakonie und Kirche. Sie berät und begleitet Frauen in der Prostitution aus der ganzen Region und weit darüber hinaus. Ohne Mittel der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gäbe es die Angebote längst nicht mehr: Für drei Jahre, bis Ende 2020, wurden landeskirchliche Mittel zur Verfügung gestellt – in der Hoffnung, dass bis dahin Land und Kommune verlässlich finanzieren.
Hintergrund
Die Finanzierung der Arbeit geschieht auf drei Ebenen:
- Kommunale Ebene: Abdeckung der kommunalen Aufgaben/Bedarfe in der Unterstützung von Personen in der Prostitution
- Landesebene: Abdeckung von nicht auf Kommunen mit erlaubter Prostitution eingrenzbare Bedarfe
- Projektmittel zur innovativen Weiterentwicklung bzw. Erhebung oder Abdeckung von besonderen Bedarfen
Die Diakonie in Württemberg und in Heilbronn fordert:
- Erhalt der Beratungsstelle durch eine ausreichende Grundfinanzierung
- weg von der Projektfinanzierung hin zur Finanzierung einer grundständigen Beratungsarbeit. Ohne eine abgesicherte Bestandsarbeit ist Projektarbeit unsicher und kräftezehrend. Sie kann nicht eine verlässliche Grundfinanzierung ersetzen.
- eine bedarfsdeckende Finanzierung auf kommunaler Ebene, die die Arbeit planbar macht und für die Zukunft absichert
- eine gezielte und planbare Förderung durch das Land für die Bedarfe, die nicht auf Kommunen eingrenzbar sind bzw. für Kommunen oder Kreise, wo Prostitution zwar verboten ist, aber dennoch stattfindet. Hier ist eine flächendeckende Versorgung vom Land gefordert.