Staatsministerin lobt Kosovo-Projekt
Großes Lob für das Kosovo-Ausbildungsprojekt der Diakonie Württemberg: „Ich finde das Projekt klasse“, sagte die Staatsministerin und Tübinger CDU-Bundestagsabgeordnete Annette Widmann-Mauz bei einem Besuch im Diakonischen Institut für Soziale Berufe in Tübingen. Sie führte Gespräche mit Auszubildenden und Absolventen sowie Vertretern der sozialen Einrichtungen, die die jungen Leute ausbilden.
Vor sechs Jahren hatte die Diakonie in Baden-Württemberg das Projekt ins Leben gerufen und seither 366 junge Menschen aus dem Kosovo für eine Ausbildung als Pflegefachkraft angeworben, von denen mehr als 70 bereits als Fachkräfte zur Verfügung stehen. Ardita Emini ist eine von ihnen. „Der Anfang, die ersten Monate in Deutschland waren sehr schwer“, berichtete sie im Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten. Heimweh habe sie geplagt, die deutsche und schwäbische Sprache sei ihr schwer gefallen. Doch sie sei sehr froh, durchgehalten zu haben. Seit zwei Jahren ist sie ausgebildete Pflegekraft und arbeitet in ihrem ehemaligen Ausbildungsbetrieb, dem Tübinger Luise-Wetzel-Stift. Ihr Lerneifer hat trotz Abschluss nicht nachgelassen. „Ich habe bereits zwei Fortbildungen gemacht“, erzählte die junge Frau in fließendem Deutsch. Ihre Zukunft sieht sie in Deutschland genau wie die meisten anderen Absolventen des Projekts. „Ich suche eine eigene Wohnung, will dann meine Freundin nachholen“, schilderte Ardit Sylejmani seine Zukunftspläne. Der 22-Jährige hat soeben seine Ausbildung beendet und ist von seinem Arbeitgeber, dem Seniorenzentrum Martinshaus in Kirchentellinsfurt, als Fachkraft übernommen worden.
In ihrer Heimat haben die jungen Leute keine Perspektive. 50 Prozent der Unter-25-Jährigen im Kosovo seien arbeitslos, berichtete Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks. 2013 sei er erstmals im Kosovo gewesen. „Viele junge Menschen absolvieren dort ein Studium nach dem anderen, doch Arbeit gibt es für sie nicht. Wir haben uns gefragt: ‘Was können wir tun? Wie können wir diesen Menschen eine faire Arbeitsmigration ermöglichen?“
Daraus entstand das Kosovo-Projekt, das deutschlandweit einzigartig ist. Es richtet sich an Absolventen von medizinischen Mittelschulen im Kosovo. Deren Abschluss wird in Deutschland als mittlere Reife anerkannt. „Und die Absolventen haben eine gewisse Affinität zur Pflege“, sagte Projektleiter Johannes Flothow, der das Konzept entwickelt hat. Das Besondere daran: Die jungen Leute werden bereits in ihrer Heimat intensiv auf ihre Ausbildung in Deutschland vorbereitet. Sie absolvieren im Kosovo in der Gruppe einen Sprachkurs bis zum Niveau B1, den sie selbst zahlen. Wenn sie die Prüfung bestanden haben, folgt eine zehntägige Hospitation in Deutschland. Dort lernen sie ihre künftige Ausbildungsstätte kennen. Erst wenn nach dieser Testphase beide zustimmen - Praktikant und Einrichtung -, wird der Ausbildungsvertrag geschlossen.
14 Träger aus Baden-Württemberg - von der großen BruderhausDiakonie mit 5.000 Mitarbeitern bis zum Pforzheimer Seniorenzentrum Paul-Gerhardt mit 170 Mitarbeitern - haben sich für dieses Projekt zusammengeschlossen. Sie besorgen den Auszubildenden aus dem Kosovo eine Wohnung und helfen ihnen beim Ankommen in Deutschland. Dieses Engagement scheint sich auch für die Träger auszuzahlen. Ausbildungs-Abbrecher gibt es so gut wie keine. Und nach Abschluss der Ausbildung verbleibt ein Großteil der Absolventen bei ihren Trägern, obwohl es dazu keine Verpflichtung gibt. Für die Träger von Pflegeheimen, die händeringend qualifizierte Mitarbeiter suchen, ist das Kosovo-Projekt mittlerweile zu einem wichtigen Instrument zur Rekrutierung von Personal geworden. Ein Drittel ihrer jährlich 100 Auszubildenden gewinnt die Evangelische Heimstiftung aus diesem Projekt, beim Träger Mariaberg sind es sogar bis zu 90 Prozent. „Das unterstreicht die Bedeutung des Projekts“, sagte Annette Widmann-Mauz sichtlich beeindruckt.
Der Vorstandsvorsitzende Kaufmann und der Projektleiter Flothow nutzten die Gelegenheit und schilderten Widmann-Mauz, die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt ist, eindrücklich ihre Probleme. Diese sind vor allem bürokratischer Natur. „Wir warten oft monatelang auf die Anerkennung von Zeugnissen durch das Regierungspräsidium oder die Prüfungszertifikate der Sprachprüfungen vom Goethe-Institut", berichtete Flothow. Auch nach Abschluss der Ausbildung vergingen oft Wochen, bis die Ausländerbehörden eine neue Aufenthaltserlaubnis ausstellten. Wochen, in denen die fertigen Fachkräfte, die dringend gebraucht würden, nicht arbeiten dürfen.
Widmann-Mauz versprach, sich für Verbesserungen einzusetzen. „Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ja erst einige Monate in Kraft und wir sammeln im Moment Erfahrungen.“ Änderungen könnten durchaus noch eingearbeitet werden. Widmann-Mauz nahm auch den Wunsch der Pflegeinrichtungen und Schulen mit, die Auszubildenden aus dem Ausland bei der Sprachförderung zu unterstützen. „Es gibt Programme zur Förderung von ausgebildeten Fachkräften, die zuwandern, aber nicht für die Teilnehmer unseres Projekts“, kritisierte Flothow. Dabei sei diese Form der Fachkräftegewinnung nachhaltiger. „Einen Schwaben zu pflegen, lernt man am besten bei den Schwaben selbst.“ Wenig Hilfe konnte Widmann-Mauz hingegen beim größten Problem der Absolventen versprechen: der Suche nach bezahlbaren Wohnungen.
Das Kosovo-Projekt geht nun in die sechste Runde und wurde mittlerweile ausgeweitet. Auszubildende werden auch in Bosnien und Albanien rekrutiert. Erste Gespräche hat das Diakonische Werk Württemberg mit Organisationen in der Ukraine geführt.