Immer mehr Jugendliche erliegen dem Reiz
Automatenspiel, Online-Glücksspiel und Sportwetten haben in den vergangenen Jahren bei jungen Menschen stark an Bedeutung gewonnen. Insbesondere junge Männer galten als sehr empfänglich für die Reize des Glücksspiels. Um über Reize und Gefahren des Spielens zu informieren und sich über die Möglichkeiten sozialer Arbeit auszutauschen, sind rund hundert Fachleute zusammengekommen. Zum Fachtag hatten Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit und Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork eingeladen.
Stuttgart, 26.Februar 2013. Experten aus Wissenschaft und Praxis diskutierten in Workshops und Vorträgen über Attraktivität des Glücksspiels für junge Menschen und mögliche Wege der Prävention. Matthias Reuting vom Diakonischen Werk Württemberg sagte für die Veranstalter: „Wir müssen das Augenmerk auf das Thema Jugend und Glücksspiel richten und zeigen, dass es für Jugendliche immer wichtiger wird. Mobile Jugendarbeit und Suchtberatung müssen an gemeinsamen Angeboten arbeiten.“ Bedarf für stärkere Sensibilisierung gebe es reichlich: Die Anzahl der Nutzer von Geldspielautomaten habe sich zwischen 2007 und 2011 bei den jungen Frauen verdoppelt und bei den jungen Männern sogar verdreifacht. Notwendig seien etwa alternative Angebote mit ähnlichem Reiz etwa im Sport und die Konfrontation mit den Auswirkungen riskanten Spielens.
Den Reiz am Erleben des Kicks, die hohen Geldsummen, welche beim Gewinn winken und den Wettkampfcharakter vieler Spiele sieht Sandra Bauer von der Fachstelle für Glücksspiel und Medienkonsum der Evangelischen Gesellschaft als Hauptmotivation für die meisten spielenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Zudem hätten sich die Spielhallen in den vergangenen Jahren zu beliebten Freizeittreffs entwickelt.
„Aus den Klitschen von einst sind jetzt Entertainment-Center geworden“, pflichtete Glücksspielexperte Tobias Hayer vom psychologischen Institut der Universität Bremen bei. Er sieht den Grund für die Spiellust der jungen Leute in den immer höheren Spielanreizen. Poker beispielsweise sei für viele Jugendliche „nicht nur ein Spiel, sondern ein Lifestyle“.“ Viele junge Männer, vor allem aus bildungsfernen Schichten, sähen das Glücksspiel als eine Möglichkeit, schnell an viel Geld zu kommen. Sie seien überzeugt, dass Glücksspiel nicht nur mit Glück, sondern vor allem mit Können zu tun habe: „Junge Leute überschätzen den Kompetenzanteil beim Spiel.“
Klaus Wölfling von der psychotherapeutischen Universitätsklinik Mainz erklärte, dass bei ungefähr 2,2 Prozent der Jugendlichen ein problematisches Spielverhalten festzustellen ist. Dieses könne sich in gedanklicher Einengung auf das Spiel oder in Entzugserscheinungen äußern. Für junge Leute sei der Zugang zu Spielangeboten immer einfacher: „Internet-Glücksspiele sind auf dem Vormarsch.“ Online-Spiele, bei denen es um richtiges Geld geht, hätten seit ein paar Jahren enorm an Bedeutung gewonnen.
Einig waren sich Experten und Praktiker darin, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen nicht weit genug reichen. Wichtig sei, die Spielanreize zu senken, darüber hinaus müsste der Zugang noch stärker beschränkt werden. Eine personalisierte Spielerkarte für den Spielhallen-Besuch sahen sowohl Hayer als auch Wölfling als Muss an. Diese könnte Minderjährige abhalten und paralleles Spielen an mehreren Automaten verhindern. Von einer personenungebundenen Spielerkarte, wie das fürs Glücksspiel verantwortliche Bundeswirtschaftsministerium sie einführen will, halten die Experten nichts. Am besten wären „null Automaten“ in Gaststätten, als Spielort auf Rang eins, schlägt Hayer vor.