Genetische Bluttests widersprechen dem Gedanken der Inklusion
Vor fünf Jahren ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten. Diakonie kritisiert neuen Bluttest bei vorgeburtlicher Untersuchung.
Stuttgart, 24. März 2014. Zum fünften Jahrestag, an dem die UN-Behindertenrechtskonvention für Deutschland bindend geworden ist (26. März), macht die württembergische Diakonie auf die Problematik von genetischen Bluttests auf Chromosomenveränderungen in der frühen Phase der Schwangerschaft aufmerksam. Deren Intention widerspreche dem Gedanken der Inklusion, also der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft, sagt Claudia Heinkel, Leiterin der PUA-Fachstelle für Information, Aufklärung, Beratung zu Pränataldiagnostik und Reproduktionsmedizin im Diakonischen Werk Württemberg.
Mit der Behindertenrechtskonvention verpflichte sich die Bundesregierung, die Rechte von Menschen mit Behinderungen und ihre Würde zu gewährleisten und laut Artikel 8 „schädliche Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderung zu bekämpfen“. Dazu im Widerspruch stehen für Heinkel die genetischen Bluttests als neues Angebot der vorgeburtlichen Untersuchung. „Diese Bluttests bei der werdenden Mutter haben keinerlei therapeutische Konsequenzen.“ Bei einem auffälligen Befund sei der Schwangerschaftsabbruch die einzige Handlungsalternative zur Geburt eines behinderten Kindes.
Heinkel befürchtet, dass diese Tests den sozialen Erwartungsdruck auf werdende Eltern erhöhen werden, sie auch zu nutzen. „Sie werden die Schwangerschaft auf Probe verstärken und Eltern werden noch mehr dafür verantwortlich gemacht werden, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen.“ Sehr schnell seien die Tests von Trisomie 21 auf weitere genetische Merkmale ausgeweitet, ihr Preis im Konkurrenzkampf dreier Firmen in Deutschland drastisch gesenkt, der Zeitpunkt der Anwendung von nach der zwölften auf die neunte Schwangerschaftswoche vorverlegt und die Zielgruppe von Frauen mit hohem Risiko auf Niedrigrisikogruppen ausgeweitet worden. Laut Heinkel haben diese Tests das technische Potenzial für ein allgemeines Screening auf Chromosomenveränderungen in der frühen Schwangerschaft. „Die Folge wäre, dass dann kein Kind mehr ungetestet das Licht der Welt erblicken und kaum mehr ein Kind mit Down-Syndrom geboren würde.“
Die Leiterin der PUA-Fachstelle fordert eine gesellschaftliche Debatte über diese Tests und ihre ethisch brisanten Konsequenzen. „Der Gesetzgeber muss seine Steuerungsverantwortung wahrnehmen und rechtliche Regelungen zu einer Begrenzung des Angebots erlassen, anstatt dies einfach dem Markt zu überlassen. Wir müssen uns letztlich auch mit dem Angebot der Pränataldiagnostik insgesamt auseinandersetzen“. Und: Familien mit behinderten Kindern müssten im Alltag erleben können, dass sie dazugehören und ihre Kinder willkommen sind. Dazu gehörten auch umfassende und unbürokratische Unterstützung. Nur so werde Inklusion für sie auch erlebbar.