Langzeitarbeitslose sind Verlierer auf dem Arbeitsmarkt
Zumeldung zur Meldung der Agentur für Arbeit zu den Arbeitslosenzahlen im Mai 2015 Heute hat die Agentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und die positive Arbeitslosenquote gegenüber anderen Bundesländern unterstrichen. Wir lenken den Blick auf Zahlen, die die Probleme des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg zeigen:
• Der relative Anteil der Hartz-IV-Bezieher (SGB II) ist gegenüber dem Vormonat auf 58,7 % gestiegen. Die absolute Zahl der SGB-II-Arbeitslosen beträgt jetzt 131.070. Sie ist im April zwar um 1.352 Personen oder 1,0 % gesunken, gegenüber dem Vorjahresmonat aber um 278 Personen oder 0,2 % gestiegen. Demgegenüber ist die Zahl der Arbeitslosen im SGB III im Mai sogar um 3.819 Personen oder 4,0 % und gegenüber dem Vorjahresmonat um 4.350 oder 4,5 % gesunken. Die positiven Bewegungen am Arbeitsmarkt wirken sich praktisch nur noch in der Arbeitslosenversicherung des SGB III, also bei Kurzzeitarbeitslosen, aus, während sie sich im SGB II und erst recht bei der Langzeitarbeitslosigkeit kaum noch niederschlagen. 71.686 Personen oder 32,1 % aller Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos, gegenüber dem letzten Monat 865 Personen und gegenüber dem Vorjahresmonat 1.471 Personen weniger, jedoch ist ihr Anteil erneut angestiegen.
• Betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Arbeitslosengeld-II-Bezieher. Sie sind an der Arbeitslosigkeit mit 58,7 %, an der Langzeitarbeitslosigkeit aber mit 83 % beteiligt.
• Die durchschnittliche Dauer von Arbeitslosigkeit beträgt für SGB-II-Arbeitslose 559 Tage – genausoviel wie im Vormonat und 6 Tage mehr als im Vorjahresmonat. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III nur durchschnittlich 197 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat stabil geblieben. Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger, vor allem unter den Langzeitarbeitslosen, steigt langfristig an, und die Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit nimmt tendenziell ständig zu.
• Gegenüber dem Vorjahresmonat sind die Zahlen der am Arbeitsmarkt Benachteiligten, der arbeitslosen Älteren über 55 Jahre (-773 / -1,5%) und der Behinderten (-174 / -1,0%) weniger zurückgegangen als die der allgemeinen Arbeitslosigkeit, und die Zahl der arbeitslosen Migranten (+2.808/ +4,7%) hat sogar zugenommen. Die Verbesserung der Arbeitslosigkeit ist so gering, dass der Arbeitsmarkt im Grunde genommen auf der Stelle tritt, während sich die Situation der Benachteiligten tendenziell verschlechtert.
• Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass zwar im März 57.071 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, dabei aber nur 20.058 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit am 1. Arbeitsmarkt übergehen konnten.
• Nur 20,9 % derjenigen, die aus dem SGB II heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten auch eine Erwerbstätigkeit beginnen; von den SGB-III-Empfängern, die aus der Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin 47,5 %.
Diese Entwicklung wird durch die Einteilung der Haushaltsmittel für die Jobcenter und die aktive Arbeitsmarktpolitik verstärkt: Den von Kommunen und Arbeitsagentur gemeinsam getragenen Jobcentern in Baden-Württemberg (33 von 44) wurde im Jahr 2014 ein Gesamtbudget von 336 Millionen Euro zugewiesen. Davon waren 193 Millionen Euro für die Verwaltungskosten und nur 143 Millionen Euro für Eingliederungsmaßnahmen vorgesehen; zusätzlich wurden von den Eingliederungsmitteln noch 29 Millionen Euro zu den Verwaltungskosten umgeschichtet, wodurch tatsächlich nur noch 114 Millionen Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung standen. Von diesen Mitteln wurden fast 10 Millionen Euro nicht ausgeschöpft und wieder an den Bund zurückgegeben. Insgesamt sind 26,9 % der Mittel für Eingliederungsleistungen nicht für solche Unterstützungsmaßnahmen ausgegeben worden. In Einzelfällen wurden 2014 über 50 % der Eingliederungsmittel für die Verwaltungskosten eingesetzt.
Trotz sinkender Arbeitslosigkeit steigen die Mittel für den Verwaltungsapparat der Jobcenter ständig an, während die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik viel stärker gekürzt werden als die Arbeitslosigkeit sinkt. Nach Aussage des Deutschen Landkreistages wurden 2014 nur noch 890 Euro pro Arbeitslosen für Eingliederungsleistungen ausgegeben, während es 2005 noch 3.100 Euro waren.
Bundesweit wurden 2014 nur noch 17 Prozent aller Hartz-IV-Empfänger mit einer Maßnahme gefördert, während es 2010 noch 25 % waren. Und sowohl die Zahlen der Vermittlungen in reguläre Arbeit, wie auch der Anteil der Jobcenter-Vermittlungen an den Arbeitsaufnahmen von Arbeitslosen sind laut einem Bericht der Bundesregierung seit Jahren rückläufig (vgl. BTD 18/ 4073).
Konjunktur- und Beschäftigungswachtum wirken sich auf den Abbau der Arbeitslosigkeit nur noch marginal aus und die Arbeitsmarktexperten des IAB gehen für die nächsten Monate von einer stagnierenden bis leicht steigenden Arbeitslosigkeit aus. Dass trotz zurückgehender Förderung und angesichts eines stagnierenden Arbeitsmarktes die Zahl der gegenüber Arbeitslosen im Jahr 2014 ausgesprochenen Sanktionen nach wie vor bei über einer Million liegt, ist ein arbeitsmarktpolitischer Skandal und belegt, dass das Verhältnis von Fördern und Fordern vollkommen einseitig geworden ist. Die durchschnittlichen Leistungsreduzierungen liegen bei ca. 20 % der Regelleistungen, was nach Einschätzung der Diakonie nicht mehr den Anforderungen an eine menschenwürdige Existenzsicherung genügt. Sie begrüßt die Entscheidung des Sozialgerichtes Gotha, das Sanktionen für verfassungswidrig hält und dem Bundesverfassungsgericht dies zur Prüfung vorgelegt hat. Die Diakonie erhofft sich eine abschließende Klärung darüber, ob die für sie fragwürdigen Sanktionen im Rahmen der Grundsicherungsleistung überhaupt bzw. in welchem Ausmaß verfassungsgemäß sind.
Es zeigt sich immer deutlicher, dass Langzeitarbeitslose und ihre Familien ohne öffentlich geförderte Beschäftigung keine Chance mehr zur Teilhabe und zur Integration in Arbeit bekommen. Die Diakonie fordert dies seit langem und hat mit dem Passiv-Aktiv-Transfers ein realistisches Finanzierungskonzept vorgelegt, während die Bundesregierung trotz positiver wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu Handeln verpasst.