Ein Jahr Flüchtlingsaufnahmegesetz in Baden-Württemberg
Ein Jahr Flüchtlingsaufnahmegesetz in Baden-Württemberg
Stuttgart/Ulm, 28. Januar 2015. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Flüchtlingsaufnahmegesetzes hat Oberkirchenrat Dieter Kaufmann Verbesserungen bei dessen Umsetzung angemahnt. Beim Besuch einer Ulmer Flüchtlingsunterkunft, in der die Diakonie die Flüchtlingssozialarbeit übernommen hat, lobte er die Ausrichtung des Gesetzes: Die Umstellung von Sachleistungen auf Geldleistungen, die möglichst frühe dezentrale Unterbringung in Wohnungen sowie die Lockerung des Arbeitsverbots seien positiv. Die beim Flüchtlingsgipfel des Landes zugesagten 30 Millionen Euro müssten nun für tragfähige Wohnkonzepte eingesetzt werden. Die Sprachkurs-Pauschale von 90 Euro pro Asylbewerber sei aber mindestens zu verdreifachen. Der derzeitige Betreuungsschlüssel in der Flüchtlingssozialarbeit von derzeit rund 1:150 sei viel zu hoch, er müsse maximal 1:100 betragen. Nur so sei eine gute Integration in das Lebensumfeld möglich.
Defizite sieht Kaufmann auch in den Landeserstaufnahmestellen. Hier würden offenbar aufgrund der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen Verfahrensregeln nicht immer eingehalten. So fehle bei manchen Asylbewerbern die gesetzlich vorgeschriebene Gesundheitsuntersuchung, ohne die das Asylverfahren nicht in Gang kommen könne. Insgesamt werde rund ein Drittel aller Flüchtlinge nicht registriert, was ebenfalls ein Asylverfahren verhindere.
Der Leiter der Diakonischen Bezirksstellen Ulm und Blaubeuren, Udo Zellmer, wies darauf hin, dass die Diakonie in Ulm jahrzehntelange Erfahrung in der Flüchtlingssozialarbeit hat. In der Ulmer Unterkunft seien vor wenigen Jahren noch 26 bis 28 Menschen untergebracht worden, derzeit seien es 320 - und weitere 100 in neun dezentralen Unterkünften. Durch die gute Vernetzung der Diakonie können Kontakte zu Vereinen, Ehrenamtliche und Kirchengemeinden hergestellt werden.
Sozialarbeiter Heiner Beermann berichtete von großen Herausforderungen. Zunächst müssten die Bedarfe der neu Angekommenen angeklärt werden – ein wichtiges Thema sei die Gesundheit. Meist habe kaum eine Gesundheitsversorgung bei den Flüchtlingen stattgefunden, oftmals müsse Traumatisierungen begegnet werden. Der Zugang der Kinder in Kindergarten und Schule verlaufe unproblematisch. Die Vermittlung in Sprachkurse und Arbeit sowie die Bearbeitung asylrechtlicher Fragen nähmen großen Raum ein. Mehr Personal und Gemeinschaftsräume seien erforderlich.
Der 31-jährige Ehrem Abazi aus Bosnien ist froh, dass er mit seiner fünfköpfigen Familie in Ulm in Sicherheit lebt, die Kinder sich in Kindergarten und Schule gut eingelebt haben und er Hausmeistertätigkeiten verrichten kann. Auch Silvija Busanovic, die in Serbien einen Sohn verlor und seit vier Jahren mit ihrer Familie unterwegs ist, sieht potitiv in die Zukunft: Nach zweieinhalb Jahren hat die Familie den Weg in eine eigene Wohnung und Arbeit gefunden. Sehr dankbar ist sie, dass die Diakonie ihr gleich nach dem Ankommen in der Unterkunft Orientierung in Alltagsfragen gegeben hat und sie nun weitgehend selbstständig in der neuen Heimat zurecht kommt. cm