02. November 2016

Anstieg der Beschäftigtenzahlen wirkt sich nicht auf Zahl der Arbeitslosen aus

Zumeldung zur Meldung der Agentur für Arbeit zu den Arbeitslosenzahlen im Oktober 2016

  • 74.000 Stellen mehr, aber nur 800 Arbeitslose weniger
  • Im Jahresverlauf 17.023 mehr Hartz-IV-Empfänger

Stuttgart, 2. November 2016. Heute hat die Agentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und betont die positive Arbeitsmarkt-Entwicklung. Wir lenken den Blick auf Fakten und Zahlen, die die Probleme des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg zeigen:

Die Zahl der Arbeitslosen ist im Oktober um 8.869 Personen oder 3,9 Prozent gesunken und auch gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie um 800 Personen niedriger ausgefallen. Der Rückgang ist aber gegenüber der Gesamtzahl von 217.228 Arbeitslosenäußerst gering. Der seit Monaten deutliche Anstieg der Beschäftigtenzahlen wirkt sich nicht auf die Arbeitslosenzahlen aus. Und gerade beim Anstieg der Beschäftigtenzahlen ist eine deutliche Verlangsamung festzustellen: Wurden im Juli noch über 100.000 Stellen mehr als im Vorjahr gezählt, so sind es jetzt nur noch 74.000. Dennoch ist es ernüchternd, dass sich dieser Anstieg nur mit einer Reduzierung um 800 Arbeitslose ausgewirkt hat.

Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger an den Arbeitslosen beträgt aktuell 57,9 Prozent. Die absolute Zahl ist gegenüber dem Vormonat zwar um 4.386 Personen gesunken, aber insgesamt bewegt sie sich sehr viel weniger als die Gesamtarbeitslosigkeit und vor allem die Beschäftigtenzahlen. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass die Zahl der Menschen, die insgesamt von Hartz-IV-Leistungen leben, das sind die Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II und ihre Angehörigen, im Jahresverlauf um 17.023 auf 438.388 Menschen gestiegen ist. Allein die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beträgt 315.093 und damit 12.706 mehr als vor einem Jahr. Scheinbar gelingt es den Menschen selbst bei Aufnahme einer Arbeit nicht, sich aus der Hilfebedürftigkeit zu befreien. Vor allem zeigt sich die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit an der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose, die im SGB-II-Bereich jetzt bei 579 Tagen liegt.

  • Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist gegenüber dem Vorjahr um 74.300 (plus 1,8 Prozent) auf 4.435.700 gestiegen. Abgesehen davon, dass die positive Arbeitsmarktentwicklung abnimmt, zeigt sich, dass die Arbeitsmarktentwicklung an den Arbeitslosen (- 800) vorbei geht.
  • 66.490 Personen oder 30,6 Prozent aller Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos, das sind gegenüber dem letzten Monat 1.288 Personen und gegenüber dem Vorjahresmonat 4.087 Personen weniger.
  • Betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Arbeitslosengeld-II-Bezieher, sie sind an der Arbeitslosigkeit mit 57,9 Prozent, an der Langzeitarbeitslosigkeit aber mit 84,8 Prozent beteiligt.
  • Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit beträgt für SGB-II-Arbeitslose 579 Tage – neun Tage mehr als im Vormonat und drei Tage weniger gegenüber dem Vorjahresmonat. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III nur durchschnittlich 173 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 14 Tage gesunken.
  • Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass zwar im Oktober 72.188 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, dabei konnten aber nur 21.530 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit übergehen, 2.506 weniger als im Vormonat.
  • Nur 16,5 Prozent derjenigen, die aus dem SGB II heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten auch eine Erwerbstätigkeit beginnen; von den SGB-III-Empfänger, die aus der (Kurzzeit-)-Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin 41,2 Prozent.
  • Der Bestand an offenen Stellen beträgt 96.756, womit auf jede gemeldete offene Stelle immer noch ungefähr 2,2 Arbeitslose kommen.
  • Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen hat sich gegenüber dem Vormonat leicht um 95 Plätze erhöht, gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie aber erneut um 98 auf jetzt nur noch 4.324 Plätze reduziert worden.

Die positive wirtschaftliche Entwicklung muss jetzt genutzt werden, um vor allem langzeitarbeitslosen Menschen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen.

Doch anstatt dass jetzt eine aktive Arbeitsmarktpolitik betrieben wird, wird inzwischen für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit mehr als doppelt so viel ausgegeben, wie für Unterstützungs- und Eingliederungsmaßnahmen. Dabei werden nach einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (KB 4/2016) nur noch 14 Prozent aller Stellenbesetzungen über die Agenturen für Arbeit abgewickelt. Was die Agenturen und Jobcenter als ihr Kerngeschäft reklamieren, findet weitestgehend ohne sie statt.

Fachwissenschaftler weisen darauf hin, dass das Leitbild des Forderns und der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik gegen das einer befähigenden Arbeitsmarktpolitik getauscht werden muss, die nicht an den Defiziten und Vermittlungshemmnissen, sondern an der Lebenssituation und den Fähigkeiten der Menschen ansetzt, die auf Teilhabe an Arbeit und an der Gesellschaft ausgerichtet ist. Es zeigt sich immer deutlicher, dass Langzeitarbeitslose und ihre Familien ohne öffentlich geförderte Beschäftigung keine Chance mehr zur Teilhabe und zur Integration in Arbeit bekommen. Die Diakonie fordert dies seit Langem und hat mit dem Passiv-Aktiv-Transfers ein realistisches Finanzierungskonzept vorgelegt, während die Bundesregierung trotz positiver wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu Handeln verpasst.  

Weitere Hinweise unter:
www.initiative-pro-arbeit.de/   
www.o-ton-arbeitsmarkt.de/   

Das Diakonische Werk Württemberg
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.