Verantwortung in der Welt wahrnehmen
Pfarrer Dr. Günter Banzhaf war 40 Jahre in Kirche und Diakonie tätig.
„Philosophie der Verantwortung“, der Titel seiner Dissertation, könnte als Motto über Günter Banzhafs 40-jährigem Dienst in der württembergischen Landeskirche und ihrer Diakonie stehen. „Diese Welt mitgestalten, sich einbringen, sich für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung engagieren – oder im Rahmen unserer diakonischen Arbeit für die Teilhabe armer, arbeitsloser oder Menschen mit Behinderung einzusetzen – das ist tatsächlich ein Grundzug in meinem Leben“, sagt Banzhaf, der neben seinem Theologie- ein abgeschlossenes Philosophie-Studium absolviert hat.
Stuttgart, 7. März 2016. Schon im Pfarramt in Ödenwaldstetten und später in Plochingen, wo er auch Gemeinderat war, betonte er, dass „Kirche als Kirche Jesu Christi immer diakonische Kirche ist“. So ist es auch kein Zufall, dass er die letzten acht Jahre seines Berufslebens Abteilungsleiter im Diakonischen Werk Württemberg war. Landkreis- und Kirchenbezirksdiakonie, Existenzsicherung und die Migration waren seine Themen. Zuvor war er sieben Jahre lang Männerpfarrer der Landeskirche. Als einer, der sich Mitte der achtziger Jahre im Erziehungsurlaub intensiv um die beiden Söhne gekümmert und mit seiner Frau ein Pfarramt geteilt hat, setzte er sich mit Männerbildern und dem auseinander, womit sich Männer von der Kirche ansprechen lassen.
Teilhabe – darum geht es ihm. Kirche und Diakonie müssen sich als Teil des Gemeinwesens verstehen und die Menschen fragen, was sie brauchen. „Deshalb bin ich auch sehr froh, dass wir in der Landeskirche jetzt einen Aktionsplan Inklusion haben.“ Menschen in ihren Nöten wahrnehmen, „Ausgrenzung überwinden, Teilhabe ermöglichen“ – so das Motto des Aktionsplans. Banzhaf sieht darin eine große Chance: „Menschen gewinnen neues Zutrauen zur Kirche.“ Viele Langzeitarbeitslose seien erstaunt darüber, dass sich Kirche und Diakonie für sie einsetzen. Politiker hätten angemerkt, dass es fast nur noch Kirche und Diakonie sind, die sich für die Not dieser Personengruppe interessieren.
Grund und Quelle für sein Engagement bedeuten ihm so viel wie das konkrete Tun. „Das Kämpfen braucht dieses Beten und Meditieren in der Stille.“ Taizé hat seinen Weg ins Pfarramt entscheidend geprägt. „Im Vikariat haben wir kurzerhand einen Kurs dorthin verlegt und sind dem Motto von Taizé nachgegangen: Kampf und Kontemplation.“ Bei Jesus selbst ist ihm die Verbindung von Kampf und Kontemplation eindrücklich: Sein Einsatz für die Armen und Ausgegrenzten, seine scharfe Kritik am Machtmissbrauch der Herrschenden, sein heiliger Zorn im Tempel, mit dem er die Händler hinauswarf. Und bei Dietrich Bonhoeffer hat er es wiederentdeckt: „Unser Christsein heute wird in zweierlei bestehen: Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.“
Das wachsende Bewusstsein für die weltweite Verflechtung wird die Kirche herausfordern, ist Banzhaf überzeugt. Schon 1978 hat er den ersten deutschen Förderkreis von Oikocredit mitgegründet. Die Genossenschaft finanziert mit dem Kapital ihrer Anleger unter ethischen Gesichtspunkten Partnerorganisationen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Banzhaf hat sich über viele Jahre maßgeblich dafür eingesetzt, dass sich Menschen in armen Ländern über Kleinkredite selbstständig machen können. Nach der Friedensbewegung in den achtziger Jahren sei das Bewusstsein für die weltweiten Folgen hiesigen Handelns abgeflacht, komme aber durch Flüchtlingsbewegungen und Klimawandel jetzt wieder stärker zutage.
Die Kirche müsse selbst aktiv werden und für den Zusammenhalt der Gesellschaft eintreten. Menschen fragen verstärkt nach Quellen für Kraft und Hoffnung, nimmt Banzhaf wahr. „Das ist eine wichtige Funktion von Kirche: dass sie Ängsten und Ohnmachtsgefühlen vom Evangelium her eine Perspektive der Hoffnung bringt“, sagt er und fügt hinzu: „und sie muss eine Sprache sprechen, die die Menschen verstehen.“
Die Achtsamkeit für den Augenblick – auch sie ist ihm wichtig. Am Gegenüber interessiert und auf Augenhöhe diskutieren, so kennen ihn seine Weggefährten – die herzliche Verabschiedung in den Ruhestand hat es gezeigt. Aus ganz Württemberg sind seine Partner aus den Kreisdiakonieverbänden und Diakonischen Bezirksstellen angereist und haben ein eindrucksvolles Programm organisiert. Er selbst sagt: „Das Schöne an meinem beruflichen Weg war, miteinander unterwegs zu sein in Gemeinde, Männerwerk, Diakonie und bei Oikocredit.“
Portrait von Dr. Günter Banzhaf
Oberkirchenrat Dieter Kaufmann und Dr. Günter Banzhaf
Das Diakonische Werk Württemberg
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.