Pflege in Baden-Württemberg zukunftssicher machen
Diakonie in Württemberg fordert konkrete Maßnahmen aus Erkenntnissen der Pflege-Enquete.
Diakonie Württemberg mit konkreten Forderungen an künftige Landesregierung und künftigen Landtag: Pflegeberufe müssen attraktiver werden – Pflege muss bezahlbar bleiben und bezahlt werden – Beratung für Angehörige und Pflegebedürftige muss verbessert, lokale Hilfestrukturen müssen ausgebaut werden
Stuttgart, 22. Januar 2016. Eva-Maria Armbruster, Stellvertreterin des Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werks Württemberg, begrüßt es sehr, dass der Landtag sich des Themas Pflege angenommen hat: „Die Arbeit der baden-württembergischen Pflege-Enquete ist ein längst überfälliges Zeichen der Wertschätzung der vielen Menschen, die in der Pflege tätig sind. Den Ergebnissen der Pflege-Enquete müssen nun Taten folgen. Die zukünftige Landesregierung und der zukünftige Landtag sind in der Pflicht, mit konkreten Maßnahmen in die Umsetzung zu gehen und ihren Beitrag zu leisten, dass die Menschen, die heute und in Zukunft in unserem Land Pflege benötigen, darauf vertrauen können, dass sie diese erhalten.“ Dafür setzt sich die Diakonie seit vielen Jahren ein. Mehr Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen ist notwendig für zukunftsfähige sektorenübergreifende Angebote. Dafür bekam sie nun von der Pflege-Enquete und dem Sozialministerium Baden-Württemberg Zustimmung. „Wir werden den Bericht der Pflege-Enquete sorgfältig auswerten und stellen unser Fachwissen und unsere Erfahrung für die weitere nachhaltige politische Pflegearbeit zur Verfügung. Damit unsere haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter auch künftig gut pflegen können.“
Die Erkenntnisse der Kommissionsarbeit sind die Grundlage einer zukunftsorientierten Pflegepolitik des Landes. Baden-Württemberg braucht nachhaltige Lösungen für die großen bevorstehenden Herausforderungen:
Eine der wichtigsten Aufgaben unsere Gesellschaft ist die ausreichende und nachhaltige Finanzierung der pflegerischen Versorgung. Es ist eine politische Aufgabe, diese einzufordern und zu gestalten. In Zeiten angespannter Sozialhaushalte der öffentlichen Hand genügt es nicht, darauf zu verweisen, dass dies die Kassen und die Leistungserbringer alleine miteinander verhandeln müssen. Die Politik muss klare Zeichen setzen und dafür sorgen, dass für Pflege und Versorgung genügend Geld da ist. Dazu gehört es unter anderem, dass Land und Kommunen in die pflegerische Infrastruktur investieren. Die Menschen benötigen bürgernahe, transparente, leicht zugänglich und bezahlbare Pflegeangebote. Dafür wird die bisherige Finanzierung konkreter Pflegeleistungen allein durch die Pflege- und Krankenkassen nicht ausreichen.
Pflege muss für den Einzelnen bezahlbar sein und bleiben. Mit dem vorhersehbaren zunehmenden Bedarf an Pflege- und Versorgungsleistungen muss die Pflegeversicherung finanziell aufgestockt werden. Die Beiträge zur Versicherung werden ebenfalls steigen müssen.
Steigende Zahl der Hochbetagten in Baden-Württemberg in den nächsten 15 Jahren. Die Zahl der über 80-Jährigen wird in den nächsten 15 Jahren um 30 Prozent zunehmen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko der Pflegebedürftigkeit. Laut Statistischem Landesamt werden 2040 in Baden-Württemberg fast doppelt so viele Menschen über 85 Jahre leben wie heute, nämlich 540.000. Bis 2050 – nur zehn Jahre später – werden es bereits 800.000 sein.
Die Zahl der Pflegemitarbeiter wird nicht im gleichen Maße steigen können, wie der Pflegebedarf zunehmen wird. Baden-Württemberg braucht Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Pflege. Der Beruf muss attraktiver werden. Dazu gehören unter anderem eine angemessene Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. Nur bei guten Arbeitsbedingungen ist es den Pflegefachkräften möglich, gesund zu bleiben und ihren Beruf lange auszuüben.
Angehörige und Pflegebedürftige brauchen eine bessere Beratung rund um das Thema Pflege. Der Unterstützungsbedarf beginnt vor der Pflegebedürftigkeit. Lokale Hilfestrukturen sind auszubauen, damit es möglich ist, Pflegebedürftige zu Hause zu versorgen. Dazu müssen die Kommunen niedrigschwellige Beratungsangebote aufbauen und ausbauen.
Kommunen müssen ihre Verantwortung für Pflegebedürftige und ihre Familien wahrnehmen können. Gerade kleine Kommunen sind damit überfordert. Sie brauchen Know-how im Aufbau von Hilfenetzwerken für Betroffene und die Weiterentwicklung der lokalen Versorgungsstrukturen. Abhilfe kann beispielsweise ein Förderprogramm des Landes schaffen, das die Kommunen dazu in die Lage versetzt, solche Hilfenetze zu initiieren und aufzubauen.
Angehörigen von demenzkranken Menschen und die dementiell Erkrankten benötigen mehr Unterstützungsangebote. Die Zahl der demenzkranken Menschen wird in den nächsten 15 Jahren um ca. 60.000 ansteigen. Kommunen und Versorger müssen sich angesichts dessen darauf einstellen, dass sie Entlastungs- und Betreuungsangebote verbessern müssen. Das Land ist gefragt, seine bislang erfolgreiche Unterstützungsarbeit zu verstärken.
Eine verlässliche Datenbasis ist in Baden Württemberg längst überfällig und für die Zukunft unverzichtbar. Derzeit sind lediglich die Daten der Pflegeversicherung belastbar; diese bilden jedoch nur einen Teil der Realität ab. Es gibt über die in der Pflegeversicherung erfassten Menschen viele weitere Menschen mit Unterstützungsbedarf. Insbesondere Kommunen und Anbieter von Pflege und Betreuung benötigen zuverlässige Planungszahlen, damit sie die Angebotsstrukturen bedarfsgerecht weiterentwickeln können.
Die Diakonie in Württemberg hat 260 Einrichtungen der stationären Altenhilfe, in denen insgesamt 18.600 Menschen leben und von 12.500 Mmitarbeitenden begleitet werden. Außerdem versorgen 240 Diakonie-Sozialstationen und ambulante Pflegedienste sowie Familienpflegedienste und selbstständige Nachbarschaftshilfen rund 24.000 Menschen nur im Bereich der Pflegeversicherung.
Thesenpapier der Diakonie Baden-Württemberg zur Landtagswahl.
Das Diakonische Werk Württemberg
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für über 1.200 Einrichtungen und Dienste. Über 45.000 hauptamtliche Mitarbeiter und mehr als 35.000 Ehrenamtliche betreuen über 275.000 Menschen in Beratungsstellen oder Einrichtungen, in denen sie leben. Es sind Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 100.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.