31. Mai 2015

Arbeitsmarktentwicklung geht an Arbeitslosen vorbei

99.000 Beschäftigte mehr, aber nur 83 Arbeitslose weniger als im Vorjahr.

Zumeldung zur Meldung der Agentur für Arbeit zu den Arbeitslosenzahlen im Mai 2016

Stuttgart, 31. Mai 2016. Heute hat die Agentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und die positive Arbeitslosenquote gegenüber anderen Bundesländern unterstrichen. Wir lenken den Blick auf Zahlen, die die Probleme des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg zeigen:

Die Zahl der Arbeitslosen ist im Mai nur geringfügig um 5.019 Personen oder 2,2 Prozent gesunken. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist mit einem Minus von 83 Personen eine Stagnation feststellbar, der Abbau der Arbeitslosigkeit kommt nicht voran. Dass die Arbeitslosenquote gegenüber dem Mai 2015 erneut um 0,1 Prozent gesunken ist, liegt nur am Anstieg der Beschäftigtenzahlen und nicht am Sinken der Arbeitslosenzahlen. Die Diakonie weist regelmäßig darauf hin, dass sich eine positive Arbeitsmarktentwicklung fast nur bei den Kurzzeitarbeitslosen und im SGB II feststellen lässt, während bei den Langzeitarbeitslosen und im SGB II kaum noch positive Veränderungen zu erkennen sind. Im Rechtskreis des SGB II ist die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 1.270 gestiegen. Hier zeigt sich das zusätzliche Problem, dass ca. 25 Prozent derjenigen, die sich aus einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit arbeitslos melden müssen, nicht mehr in der Lage sind, sich Ansprüche auf Arbeitslosengeld I zu erwerben, weil ihre Stellen befristet und ihre Beschäftigungszeit zu kurzfristig gewesen ist.

Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger an den Arbeitslosen beträgt aktuell 59,3 Prozent. Die absolute Zahl ist gegenüber dem Vormonat zwar um 1.239 Personen gesunken, relativ aber dennoch angestiegen, weil sie sich sehr viel weniger bewegt als die Gesamtarbeitslosigkeit und vor allem die Beschäftigtenzahlen. Gegenüber dem Vorjahresmonat und auch im Jahresverlauf ist die Zahl der Hartz-IV-Empfänger auch absolut gestiegen.

Vor allem zeigt sich die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit an der im Jahresverlauf deutlich gestiegenen durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose und im SGB-II-Bereich. Sie liegt jetzt bei 567 Tagen und ist damit einen Tag länger als im Vormonat und 8 Tage länger als im Mai 2015.

  • Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist gegenüber dem Vorjahr um 99.000 (plus 2,3 Prozent) auf 4.429.100 gestiegen. Dass gleichzeitig die Arbeitslosigkeit nur um 83 Personen abgenommen hat zeigt, dass die Arbeitsmarktentwicklung an den Arbeitslosen vorbei geht. Die Arbeitslosenquote sinkt wegen der steigenden Beschäftigtenzahl und nicht wegen der sinkenden Arbeitslosenzahl.
  • Der relative Anteil der Hartz-IV-Bezieher (SGB II) ist gegenüber dem Vormonat auf 59,3 Prozent um 0,8 Prozent gestiegen. Die absolute Zahl der SGB-II-Arbeitslosen beträgt jetzt 132.340.
  • 69.690 Personen oder 31,2 Prozent aller Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos, das sind gegenüber dem letzten Monat 1.208 Personen und gegenüber dem Vorjahresmonat 1.996 Personen weniger.
  • Betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Arbeitslosengeld-II-Bezieher, sie sind an der Arbeitslosigkeit mit 59,3 Prozent, an der Langzeitarbeitslosigkeit aber mit 84,7 Prozent beteiligt.
  • Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit beträgt für SGB-II-Arbeitslose 567 Tage – ein Tag mehr als im Vormonat und 8 Tage mehr gegenüber dem Vorjahresmonat. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III nur durchschnittlich 183 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 14 Tage gesunken.
  • Nur 18,8 Prozent derjenigen, die aus dem SGB II heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten auch eine Erwerbstätigkeit beginnen; von den SGB-III-Empfänger, die aus der Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin 46 Prozent.
  • Der Bestand an offenen Stellen beträgt 92.426, womit auf jede gemeldete offene Stelle immer noch ungefähr 2,4 Arbeitslose kommen.
  • Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen hat sich gegenüber dem Vormonat leicht um 347 Plätze erhöht, gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie erneut um 459 auf jetzt nur noch 4.506 Plätze reduziert worden.

Die positive wirtschaftliche Entwicklung muss jetzt genutzt werden, um diesen Menschen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen.

Tatsächlich werden die Mittel zur Eingliederung von Arbeitslosen in den letzten Jahren zunehmend reduziert, bzw. zunehmend für die Verwaltungskosten eingesetzt. Bundesweit werden in 2016 von den Jobcentern ca. 1.100 Euro pro Person für die Verwaltung der Arbeitslosen eingesetzt (in Baden-Württemberg maximal 1.432 Euro in Schwäbisch-Hall, minimal 1.112 Euro im Rems-Murr-Kreis), während sich die Mittel für Eingliederungsmaßnahmen zwischen 273 Euro pro Person im Alb-Donau-Kreis und 541 Euro pro Person in Karlsruhe bewegen. Für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit wird also inzwischen mehr als doppelt so viel ausgegeben wie für Unterstützung und Eingliederungsmaßnahmen.

Fachwissenschaftler weisen darauf hin, dass das Leitbild des Forderns und der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik gegen das einer befähigenden Arbeitsmarktpolitik getauscht werden muss, die nicht an den Defiziten und Vermittlungshemmnissen, sondern an der Lebenssituation und den Fähigkeiten der Menschen ansetzt, die auf Teilhabe an Arbeit und an der Gesellschaft ausgerichtet ist. Es zeigt sich immer deutlicher, dass Langzeitarbeitslose und ihre Familien ohne öffentlich geförderte Beschäftigung keine Chance mehr zur Teilhabe und zur Integration in Arbeit bekommen. Die Diakonie fordert dies seit langem und hat mit dem Passiv-Aktiv-Transfers ein realistisches Finanzierungskonzept vorgelegt, während die Bundesregierung trotz positiver wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu Handeln verpasst.

Weitere Hinweise unter:
http://www.initiative-pro-arbeit.de/   
http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/