Gutscheine für haushaltsnahe Dienstleistungen – gute Zwischenbilanz
Heilbronn/Stuttgart, 16. März 2018. Fachkräftebedarf in der Region sichern, Mehrarbeit ermöglichen und Schwarzarbeit verhindern – darum geht es im Modellprojekt „Haushaltsnahe Dienstleistungen“. Initiatoren und Nutzer des Modells zogen eine positive Zwischenbilanz. Mittels Gutscheinen können Menschen unterstützt werden, um sozialversicherungspflichtig erbrachte haushaltsnahe Dienstleistungen (HHDL) zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bezahlen zu können. Seit Sommer 2017 sind in Heilbronn an 43 und in Aalen an 60 Menschen Gutscheine im Wert von insgesamt 36.408 Euro ausgegeben worden. Initiatoren sind das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit und die Stiftung Diakonie Württemberg.
Die Idee: Frauen und Männer, die ihre Wochenarbeitszeit erhöhen, erhalten einen Zuschuss von 12 Euro je Stunde, wenn sie sozialversicherungspflichtig haushaltsnahe Dienstleistungen wie Putzen, Bügeln oder Wäschewaschen in Anspruch nehmen. Der Haushalt muss also trotz vollzeitnaher Arbeit und Versorgung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen nicht liegen bleiben. Das Modellprojekt wird in Heilbronn und auch in Aalen, dem zweiten Projektstandort, durch das Diakonische Werk Württemberg umgesetzt.
Momentan beschäftigt nur knapp ein Prozent der rund vier Millionen Privathaushalte Dienstleistende sozialversicherungspflichtig. Seriöse Dienstleistungsunternehmen werden von Internet-Anbietern verdrängt. Das hat zur Folge, dass die Qualität der Arbeit und die soziale Absicherung der Dienstleistenden außer Acht gelassen werden.
„Wir brauchen aber dringend einen gleichberechtigten Zugang aller zur Erwerbsarbeit, damit wir eine gleichberechtigte Teilhabe an Arbeit und Gesellschaft garantieren können“, betonte Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender Stiftung Diakonie Württemberg und des Diakonischen Werk Württemberg. Die Projektverantwortlichen sind der Meinung, dass es dringend mehr Professionalisierung im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen braucht. „Ein professioneller Arbeitsrahmen bedeutet finanzielle und soziale Absicherung und wirkt vorbeugend gegen Notsituationen wie Altersarmut.“ Die Stiftung Diakonie Württemberg führe das Projekt durch, „weil es genau an dieser Aufgabe ansetzt und somit Zeichen setzt – für ein gutes Zusammenwirken von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren“.
MinisterialdirigentinDr. Stefanie Hinz, Leiterin der Abteilung Strategie, Recht, Außenwirtschaft und Europa im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, benannte als Ziel, „das Fachkräftepotenzial von Frauen noch besser für die Südwestwirtschaft zu erschließen“.
Für Christian Rauch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, deckt das Modellprojekt einen wichtigen Bedarf ab: „Der Haushalt stellt eine zusätzliche Belastung dar und der Wiedereinstieg erfolgt nach einer Familienphase aufgrund der Vereinbarkeitsproblematik oftmals nur in deutlich reduziertem Stundenumfang.“ Auch diejenigen, die diese Dienstleistung im Haushalt erbringen, seien im Blick. „Wir möchten keine neuen `Dienstboten´, sondern – auch durch Qualifizierung und Professionalisierung – dazu beitragen, dass dieses Beschäftigungsfeld aus dem Schwarzmarkt geholt und in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt wird.“
Für Heike Ziegler, Mutter von drei Kindern, ist der Bezug der Gutscheine für Haushaltsnahe Dienstleistungen eine echte Erleichterung: „Bei 100 Prozent Berufstätigkeit bleibt viel Haushalt liegen. Zeit, die ich auch gerne mit meinen Kindern verbringen würde.“ Auch Iris Lang, Geschäftsführerin einer Gebäudereinigung, zieht eine positive Bilanz: „Der Bedarf an Reinigung in Privathaushalten ist da.“ Durch die Bezuschussung könnten sich mehr Familien eine professionelle Reinigung leisten und so Schwarzarbeit verhindert werden.
Hintergrund
Seit dem 1. Marz 2017 lauft das Modellprojekt in den Arbeitsagenturen Aalen und Heilbronn, Projektende ist Februar 2019. Mit einem Gesamtvolumen von 1,6 Millionen Euro finanzieren RD Baden-Württemberg, Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, BMFSJ und Stiftung Diakonie Württemberg das Projekt.
Gutscheine können ausgegeben werden an:
- Wiedereinsteigende, Arbeitslose oder Arbeitssuchende mit Familienaufgaben, die anstatt der üblichen 15 bis 20 Wochenstunden eine Beschäftigung mit mindestens 25 – 30 Wochenstunden aufnehmen.
- Berufstätige, die wegen Betreuungs- und Pflegeaufgaben für Angehörige ihre Arbeitszeit auf unter 25 – 30 Stunden reduzieren bzw. ihre Berufstätigkeit aufgeben mussten.
- Berufstätige, die wegen Betreuungs- und Pflegeaufgaben für Angehörige in Teilzeit arbeiten und nun ihre Arbeitszeit auf mindestens 30 Stunden erhöhen möchten.
Die Gutscheine können bei Dienstleistungsunternehmen eingelöst werden, die ihr Personal überwiegend sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Der nachfragende Privathaushalt kauft die Dienstleistung ein und muss nicht selbst als Arbeitgeber fungieren. Die Idee stammt aus Belgien.