Abschiebepraxis gefährdet Kinderschutz
Abholung einer 14-Jährigen frühmorgens aus einer Wohngruppe ist unverhältnismäßig und nicht hinzunehmen
Stuttgart, 2. August 2019. Die Diakonie Württemberg ist entsetzt darüber, dass ein 14-jähriges Mädchen um 5.45 Uhr von der Polizei aus einer Wohngruppe der diakonischen Stiftung Tragwerk (Sitz in Kirchheim/Teck) zur Abschiebung abgeholt wurde.
„Diakonische Einrichtungen und besonders Wohngruppen für junge Menschen sind wichtige Schutzräume für verletzte Seelen“, sagt Matthias Reuting, Leiter der Abteilung Kinder, Jugend und Familie im Diakonischen Werk Württemberg. „Ein solches Eindringen am frühen Morgen widerspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist durch nichts zu rechtfertigen. Abschiebemaßnahmen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe verbieten sich von vornherein. Wir fordern die Politik in Baden-Württemberg auf, geeignete Wege zu finden, die das Kindeswohl aller Jugendlichen in Einrichtungen nicht gefährden.“
Jürgen Knodel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Tragwerk berichtet von schockierten Jugendlichen der Wohngruppe. Viele der betreuten jungen Menschen hätten in ihrem Leben ein hohes Maß an Verunsicherung, Traumatisierungen oder Grenzverletzungen erlebt. „Unsere Wohngruppen sollen Schutz, Hilfe und einen sicheren Ort für Kinder und Jugendliche in Not bieten. Ein solches Vorgehen birgt ein hohes Risiko für eine Retraumatisierung.“ Die Betreuerinnen würden das geschehen nun mit den jungen Bewohnerinnen aufarbeiten.
Knodel kritisiert auch, dass das zuständige Jugendamt von der bevorstehenden Abschiebung nicht informiert war.
Die 14-Jährige lebte seit mehr als einem Jahr in der Wohngruppe der Stiftung Tragwerk, hat sich gut integriert und in kurzer Zeit Realschulniveau erreicht. Jetzt ist ihre Zukunft offen. Jürgen Knodel: „Zwischenzeitlich hat sie bei ihren Betreuerinnen angerufen und sie angefleht, zurückkehren zu dürfen. Das ist sehr bitter.“