Kosovo-Ausbildungsprojekt: fünf Jahre erfolgreiches Modell
Positives Resumée nach fünf Jahren Kosovo-Ausbildungsprojekt: Fast alle Teilnehmenden bleiben als Fachkraft in der diakonischen Altenpflege. Allerdings gibt es bürokratische Hürden.
Ruzhdi Canaj startete 2015 im ersten Jahrgang mit seiner Ausbildung im Haus auf der Waldau der Evangelischen Heimstiftung in Stuttgart-Degerloch. Inzwischen arbeitet er dort als Wohnbereichsleiter. Ferdinand Dedaj aus dem zweiten Jahrgang arbeitet als Fachkraft auch dort, wo er die Ausbildung machte: im Seniorenzentrum am Parksee in Leonberg, eine Einrichtung der Samariterstiftung.
„Die Ausbildung von Personen aus dem Drittstaat Kosovo hat sich als Modell für eine faire, nachhaltige, transparente und erfolgreiche Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland erwiesen“, sagte Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg, und: „Der Weg der dreijährigen Ausbildung führt zu einer sozialen und beruflichen Integration in Deutschland im Turbo-Verfahren.“ Die Auszubildenden haben eine berufsbildende medizinische Mittelschule besucht, einen einjährigen Vollzeit-Sprachkurs im Kosovo absolviert und bewältigten „sehr hohe Hürden des Deutschlernens und der Ausbildung in einer fremden Sprache mit viel Fleiß, Ausdauer – zuweilen auch Tränen – und Zielstrebigkeit“.
Mehr als 260 junge Menschen aus dem Kosovo waren oder sind bisher in der Ausbildung zur Pflegefachkraft in Altenpflegeheimen der Diakonie in Baden-Württemberg, 94 haben eine Zusage für den kommenden Herbst. „Fast alle bestehen die Prüfung und bleiben im Anschluss bei uns in der Pflege tätig, was eine Besonderheit ist“, stellte Kaufmann zufrieden fest. Lange Bearbeitungszeiten in Behörden und die geplante Anhebung des erforderlichen Sprachlevels trüben den Erfolg allerdings.
Alejandra Sánchez, für Internationale Personalgewinnung im Strategischen Personalmanagement bei der Evangelischen Heimstiftung zuständig, macht gute Erfahrungen. Der größte Altenhilfeträger im Land ist seit dem ersten Tag dabei: „Das Kosovo-Projekt ist ein voller Erfolg.“ 2015 mit zehn Auszubildenden gestartet, waren es in diesem Jahr 23, in den Einrichtungen arbeiten 19 ausgebildete Pflegefachkräfte aus dem Projekt und weitere 54 junge Menschen sind noch in Ausbildung. „Die jungen Kosovaren integrieren sich schnell, lernen die Sprache in Windeseile, haben einen Bezug vor Ort – und bleiben.“ Lisa Holtmann, bei der Samariterstiftung für Mitarbeitergewinnung zuständig, freut sich ebenfalls über „tolle engagierte junge Leute, die große Freude an der Ausbildung und beruflichen Tätigkeit haben“. Schweirig sei es, für sie bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Inzwischen nehmen mehr als 15 Träger der stationären diakonischen Altenpflege mit über 100 Einrichtungen am Projekt teil. Die Zahl der Auszubildenden aus dem Kosovo steigt Jahr für Jahr.
Doch auch das Fachkräftezuwanderungsgesetz verhindert nicht bürokratische Hürden. So dauert nach Worten von Projektleiter Johannes Flothow ein Visumsantrag für Arbeit in einer deutschen Botschaft in Südosteuropa etwa 18 Monate. „Zum Glück haben wir inzwischen kürzere Wartezeiten. Allerdings hatten wir auch dieses Jahr Auszubildende, die ihr Visum erst nach zehn Wochen bekamen und verspätet zur Ausbildung einreisten.“ Auf eine Zeugnisanerkennung im Regierungspräsidium (RP) Stuttgart warte man rund 14 Monate. „Die Personalknappheit beim RP Stuttgart besteht seit Jahren und das bei einer Stelle, die bei der Gewinnung von Personal aus dem Ausland eine Schlüsselrolle einnimmt.“ Regelmäßig erhalten viele Absolventen erst einige Wochen nach Abschluss der Ausbildung die erforderlichen Erlaubnisse für Aufenthalt und Arbeit. „Ein missglückter Start nach der Ausbildung und kein Zeichen für Willkommen“, so Kaufmann.
Kaufmann fordert „ausreichendes Personal in den mit Einwanderung von Auszubildenden und Fachkräften beschäftigten Institutionen und eine bessere Koordination der Abläufe zwischen Ausländerbehörden, Arbeitsverwaltung, Prüfungsbehörden der Regierungspräsidien und Fachschulen.“
Ein großes Problem gebe es noch: Das Pflegeberufegesetz erfordert ab 2020 für die Zulassung zur generalistischen Ausbildung als Pflegefachkraft ein Sprachniveau von B 2. „Das Erlernen von Deutsch in einem Kurs im Ausland bis zu diesem Niveau sind nach Auskunft von Fachleuten sehr hohe Hürden und für einige Personen auch zu hohe Hürden“, stellt Kaufmann fest. „Wir brauchen hier Unterstützung und Übergangsregelungen, damit die nächsten Teilnehmenden für den Ausbildungsbeginn im Herbst 2020 realistische Möglichkeiten bekommen, trotz verschärfter Anforderungen mit der Ausbildung beginnen zu können.“ Alejandra Sanchéz pflichtet dem bei: „Das hieße 18 Monate zusätzlicher Sprachkurs, Frustration, späterer Ausbildungsbeginn – dabei zeigen fünf Jahre Projekterfahrung mit einer Abschlussquote von fast 100 Prozent, dass B1 funktioniert.“