25. Oktober 2023

Comedy und große Gefühle

Pianist Frieder Gundert spielte zum Stummfilm „Goldrausch“ von Charlie Chaplin in Mariaberg. © Foto: Mariaberg e.V.

Gammertingen-Mariaberg, 25. Oktober 2023 – Ein Schmankerl für Kinofans und Freundinnen und Freunde der Klaviermusik bot Pianist Frieder Gundert vergangenen Freitag im Mariaberger Kommunikationszentrum. In der Tradition der musikalischen Stummfilmbegleitung hauchte er der im Jahr 1925 erschienenen Komödie „Goldrausch“ von Charlie Chaplin neues Leben ein. 

Die Geschichte der musikalischen Begleitung

Frieder Gundert, der als Sonderpädagoge an der Karl-Georg-Haldenwangschule in Mariaberg gearbeitet hat, gab vor Filmbeginn eine Einführung zum Film und seiner Kunst. „Anfangs waren Stummfilme wirklich stumm, ohne Musik“, erklärte er. Das hätte aber die Besucherinnen und Besucher dazu gebracht, sich während der Filmvorführung in den Zwanzigerjahren laut zu unterhalten. Um dem entgegenzuwirken, ließen die Kinobetreiber zunächst einfach Orchester oder Orgeln spielen. Erst mit der Zeit entwickelte sich daraus die musikalische Begleitung, die das Filmgeschehen unterstützt und kommentiert – die Grundlage für die Großen der Filmmusik nach Einführung des Tonfilms um 1927.

Charlie Chaplin stand der neuen Technologie lange kritisch gegenüber

Charlie Chaplin wiederum wollte den Stummfilm nicht loslassen und stand der neuen Technologie lange Zeit kritisch gegenüber. Er dachte, seine ikonische Figur „The Tramp“ funktioniere nur als stummer Mime. Dennoch war seine Bildsprache immer musikalisch: ob bei der Ballsaal- oder berühmten „Brötchentanz“-Szene in Goldrausch oder seinen akrobatischen Slapstick-Choreografien, die fast tänzerisch wirken. 

„Goldrausch“ basiert auf der tragischen Geschichte der Donner-Expedition

„Goldrausch“ basiert auf der tragischen Geschichte der Donner-Expedition, bei der 1846 insgesamt 87 Personen eines Pioniertreks im Westen der USA vom Winter überrascht wurden. Erzählungen der Überlebenden zufolge konnten sie dies nur durch das Verzehren von Schuhleder und Kannibalismus überstehen. 

Charlie Chaplin griff das Motiv in seiner Komödie über Goldsucher im Klondike, die das Glück machen wollen, auf. Frieder Gunderts Klavier erzählt, was auf der Leinwand zu sehen ist: Tost der Schneesturm, tost auch die Musik. Hochkonzentriert verfolgt der Pianist das Geschehen und weiß dabei auch punktgenau, wann der Schnee vom Dach dem Tramp auf den Kopf plumpst und wann er musikalische Akzente setzen muss. Dabei greift Gundert bekannte musikalische Motive auf: Schmachtet der Protagonist seine Liebe, die Salondame Georgia an, leidet das Piano mit Frank Sinatras „Strangers in the Night“ mit. Schlagen der Tramp und ein ausgehungerter Goldsucher in der Hütte im Schnee die Augen nach einer unruhigen Nacht auf, erklingt die „Peer Gynt Suite“ von Edvard Grieg. Bei einer Hundeschlittenfahrt spielt „Jingle Bells“ und nach einer mehr oder weniger erfolgreichen Prügelei wankt der Tramp zu „We are the Champions“ davon. 

Ein vermeintlich veraltetes Medium einem heutigen Publikum zugänglich gemacht

Frieder Gundert ist es gelungen, ein vermeintlich veraltetes Medium einem heutigen Publikum über seine Musik emotional zugänglich zu machen. Die Anwesenden lachten und litten mit und fühlten die Zeitlosigkeit des Werks. Man kann davon ausgehen: Charlie Chaplin wäre mit dieser musikalischen Umsetzung seiner Comedy sehr zufrieden.